Kategorie: Musik

Operette, Schlager und Volksmusik kommt hier nicht als Thema vor

Anachronismus

Anachronismus

Als ich letztens (eigentlich vor fünf Jahren, aber dies spielt überhaupt keine Rolle) einen Gast fragte, was da gerade für Musik läuft, zuckte er die Schultern: „Keine Ahnung!“. Ich wollte helfen, indem ich herumhüpfte und dabei wilde Armbewegungen machte. Schließlich versuchte ich, auf einem Bein zu stehen und hielt eine imaginäre Querflöte an den Mund. Er blieb dabei: „Keine Ahnung!“

Ich gab auf, nannte den Namen der Band und erwartete spätestens jetzt eine positive Resonanz oder wenigstens eine musikpolitisch begründete Ablehnung. Leider kam wieder nichts. Mein Gegenüber kannte Jethro Tull nicht und hatte darüber hinaus noch nie etwas gehört. Und hier wurde mir klar, dass ich älter bin als mein Gesprächspartner und dass vor zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren dies nicht passiert wäre.
Und wie Recht ich hatte, bestätigte mir indirekt Nina Hagen, die 1979 noch mit ihrer Band, die später Spliff wurde, im Lied „Auf’m Rummel“ folgendes sang „…die band brachte grad nen jethro tull hit…“. Was 1979 eine Beschreibung eines langweiligen Tages war mit Musik, die alle kannten und alle hörten und worauf die Ich-Erzählerin keine Lust mehr hat, ist 33 Jahre später nur noch Geschichte, bei der man froh sein kann, wenn sie überhaupt noch jemand kennt,
Der Anachronismus von Jethro Tull, mit dem sie seit über vierzig Jahren kokettieren, hatte mich eingeholt. Der Kontext bzw. die Optik der Band war ein Konstrukt, fast immer im Blick zurück, und jetzt war ich plötzlich selber Teil eines Zusammenhangs, den man früher wohl kannte, welcher aber heute keine Rolle mehr spielt – noch schlimmer, der langsam zu vergessen droht:
Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.

 

 

Der 75. Geburtstag von Frank Zappa

Heute wäre Frank Zappa 75 Jahre geworden. Ein Beispiel für seine extreme musikalische Vielfältigkeit, die handwerklich perfekt und virtuos auf der Bühne umgesetzt wurde, ist ein Konzertfilm von 1973, der jetzt veröffentlicht wurde.
Roxy The Movie
Die Musiker montieren und demontieren die eigenwilligen Kompositionen Zappas. Dabei sind sie und ganz besonders er so lässig bei der Arbeit, dass die höchsten Ansprüche ihrer Könnerschaft ganz unprätentiös rüberkommen. Nebenbei glänzt Zappa als Gitarrist: Als ob er einen Haufen Sand siebt, um ihn dann neu auf einen Haufen zu schippen. Nicht zu vergessen sind die Texte der Lieder. Sie sind naturalistisch im wahrsten Sinn des Wortes.

Neues Paradise Lost-Album

Die Englische Band Paradise Lost werden am 1. Juni eines neues Album veröffentlichen. Die Erfinder des Gothic-Metall verfeinern seit Jahren (mit einem Versuchsballon in den 90iger in Richtung Depeche Mode) ihren Stil: dunkel, düstere, schleppend, fatalistisch, nichts Lustiges. Dabei schaffen sie es wirklich bzw. realistisch zu bleiben. Dies macht sie unverwechselbar. Sinnbildlich dafür steht der Gesangsstil und die Bühnenpräsens ihres Sängers. Nick Holmes kann klar singen, metallhaltige grunzen oder alles immer beinah tun. Seine Mimik ist ernst. Er bewegt sich wenig. Er erinnert an eine fernöstliche Religionsfigur, welche die Leiden buchstabiert, die es zu überwinden gilt.

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Paradise Lost – No Hope In Sight (Lyric Video) on MUZU.TV.

Mit sauberen Schuhen durchs Mansfelder Land

Wie schrecklich es im Osten am Beispiel des Mansfelder Landes (die Gegend um Eisleben in Sachsen-Anhalt) wirklich gewesen ist und möglicherweise immer noch ist, zeigen die Band bzw. das Komikerduo Elsterglanz in einem eigenen Film. Wem dies immer noch zu wenig ist, kann sie am 23. oder 24.04. in Mainz im KUZ erleben.

Ausschnitt aus dem Film „Die Rouladenkönigin“: Die beiden Protagonisten lassen sich von Bernd wahrsagen, wie der eine von beiden die Netto-Verkäuferin Janette kennen lernen könnte:
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=eMC-X0iX_HU&w=560&h=315]

Rock ’n‘ Roll Ain’t Noise Pollution

[flickr]set:72157638042286354[/flickr]

Gegen 21.00 Uhr am Samstag, den 30.11.13 wird charmant von Pop bis Rock’n Roll aufgespielt.
Tanni und Patrick
mit ihren zwei Gitarren und ihren Stimmen
treten im Rahmen der Kneipentour 2013 bei uns auf.
Und hier noch ein kleiner Mitschnitt ihrer Probe vom letzten Wochenende:

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=QgCk12BgV3w?rel=0&w=420&h=315]

Geht doch! Weiter so!

Einen starken politischen Impetus -ähnlich wie meine Landsleute von Heaven Shall Burn aus Thüringen- beanspruchen auch The Knife. Ein Geschwisterpaar aus Schweden, die elektronische Musik machen. Vor einiger Zeit erwähnte ich schon ein Soloprojekt der einen Hälfte von The Knife.

Mit der Musik habe ich ein wenig Schwierigkeiten, aber nach einer Zeit geht es. Die Popgefälligkeit verschwindet nach und nach.
Mir gefällt die Widerborstigkeit beim Einfordern politischer Inhalte. Die scheinbar alten Hüte in den politischen Diskussion (Gleichberechtigung, Kritik der globalen wirtschaftliche Verwertungsketten, Europa) werden bei beiden Bands sehr eigen in der künstlerischen Umsetzung, dennoch sehr glaubhaft, dargestellt.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=4F37Yg17-JQ&w=640&h=360]

Veto

Heaven Shall Burn meine Landsleute aus Saalfeld und Weimar haben ein kleines Liedchen Hunters will be hunted über das Jagen auf ihrer neuen CD „Veto“ erbrüllt.
Der Jäger ist im Hauptberuf Krankenpfleger und nebenberuflich Sänger bei Heaven Shall Burn.
Das Video ist politisch korrekt und in meinen Augen nicht sexistisch.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=Esi9RUWWtks&w=640&h=360]

Genie

Heute wäre Frank Zappa 72 Jahre geworden, wenn er vielleicht zur Prostata-Vorsorge gegangen wäre oder die Ärzte eher seinen Prostata-Krebs entdeckt hätten. Sein Werk als Komponist, Gitarrist, Bandchef und Sänger ist riesig in seiner Qualität und Quantität. Auch nach seinem Tod wird es noch umfangreicher. Denn Zappa archivierte, wenn irgendwie möglich, alles. Die Zappa-Familie veröffentlicht seit seinem Tod 1993 viele Livemitschnitte und unveröffentlichtes Studiomaterial. Eine der aktuellsten CDs Road Tapes Venue #1 (Kerrisdale Arena, Vancouver B.C., 25 August 1968) ist ein Konzert mit Zappas Band „The Mothers of Invention“. Eine wirre Mischung aus Jazz, Gags, Geschichten, Interaktionen und Rhythm & Blues geben sehr gut seine Musik wieder. Anhand des kleinen Youtube-Videos aus dem gleichen Jahr kann man sich einen ersten Eindruck verschaffen. Wer mehr wissen möchte über das Genie Frank Zappa, der frage am besten mich.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=6sATtXu68xY&w=480&h=360]

Kuschelig nach Marxismus-Leninismus

Es gibt dieses schaurig schöne kuschelige Gefühl, das Sich-Einpacken in wonnige Wehmut.
Lenkt man die Wehmut in Sehnsucht und gibt ihr einen machbaren Sinn und packt sie schließlich in poppige gefällige Formen, kommt ein kuscheliges, aber ideologisch korrektes Lied heraus.

Das Kleine und Poplige an der DDR wurde dann auf einmal ganz groß als die Umsetzung einer Idee. Zünde dir nicht die Zigarette an einer Kerze an, dann stirbt eine Seele, hörte ich oft auf den abendlichen Treffs und Feten vor etwa dreißig Jahren, als dieses Lied von Holger Biege, dessen Text von Fred Gertz ist,  im Radio lief.  Aber es galt, nicht zu vergessen, wo man lebt. Denn hier wurden die Vorgaben der großen Dichter und Denker umgesetzt. Das kleine Paradies war schon fast fertig, und wer selber Ideen hatte, musste sie nur den Gegebenheiten seiner kleinen Kammer anpassen.

Sagte mal ein großer Dichter,
daß ein Mann im Leben die drei Dinge schaffen sollte, daß es lohnt.
Er sollt einen Baum einpflanzen und ein Buch im Leben schreiben
und dann sollt er zeugen einen Sohn.
Ja, so einfach sprach er aus das Wort, und nun lebt es in den Menschen fort,
aber wie nur, wie nur, wie nur macht man es wahr?

Denn ich kannte viele Bäume, die vor ihrer Zeit schon starben,
irgendetwas standen sie im Weg.
Darum scheint es mir viel klüger,
einen Baum mir auszusuchen,
den ich in der großen Stadt dann pfleg‘.
Ja so einfach sprach er aus das Wort, und nun lebt es in den Menschen fort,
Aber so nur, so nur, so nur hat es noch Sinn!

Wieviel Bücher hat die Menschheit,
und wie kurz ist so ein Leben,
nur ein Bruchteil davon liest man dann.
Warum denn ein Buch noch schreiben,
viele ungelesen bleiben,
nicht zu reden davon, ob man’s kann.
Ja so einfach sprach er aus das Wort, und nun lebt es in den Menschen fort,
Aber wo nur, wo nur, wo nur ist noch der Sinn?

Wieviel Kinder hat die Erde,
wieviel Eltern haben Sorgen,
nicht alltäglich ist das täglich Brot.
Kinder bleiben ungeboren,
Frauen haben sich geschworen,
selber zu entscheiden ohne Not.
Ja so einfach sprach er aus das Wort, und nun lebt es in den Menschen fort,
Aber wo nur, wo nur, wo nur ist noch der Sinn?

(Leider habe ich keine alten DDR-Rundfunkaufnahmen gefunden, sondern nur unten stehendes Video. „Sagte mal ein großer Dichter“ fängt bei 3.37 an)
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=hIdcG8qQa3E]