Rumwurschteln als Handlungsmaxime

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Am 09.03. fragte ich mich als braver Bürger nach der oben stehenden Formel des wichtigsten deutschen Philosophen, der in einer Stadt wohnte und aus dieser nie herausgekommen ist und die heute zu Russland gehört, wie ich mich verhalten sollte.
Was kann ich tun? – im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.
Kann ich angewandt als Wirt einer Fußballkneipe weiterhin den Streamingdienst DAZN nutzen, wenn ich denke, dass mein und das Handeln besagten Streamingdienstes bzw. seines Eigentümers sich nicht an die oben geschriebene Formel hält.

Dazn, Oligarchen und Sanktionen

Ich hatte wenige Tage nach Beginn des Krieges die Berichte über Oligarchen
(Catherine Belton, Putins Netz – Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste und
Karen Daisha, Putin’s Kleptocracy: Who Owns Russia?)
und ihre Reaktion zum Krieg in der Ukraine und in Russland mitbekommen. Mir fiel ein, dass der Streaming-Anbieter DAZN, dem ich monatlich nach London knapp € 250,- überweise, um die Bundesliga und nächste Saison die Eintracht in der Championsleague zu übertragen, einem in Odessa geborenen sehr, sehr reichen Besitzer mit Namen Leonard Blavatnik gehört. Im Netz bei Wikipedia fand ich schnell Information.

Er kontrolliert seine verschiedenen Einkommensquellen
u.a.
Lyondellbasell (Chemie)
UC RUSCAL (Aluminiumkonzern)
Deezer (Musikstream)
DAZN Group (Sportstream)
Warner Music Group (Major-Label)
(Quelle Wikipedia)
über die Firma Access Industries:
Vor allem die Aluminiumhütte in Russland und seine daraus resultierenden sehr guten Kontakte zu sanktionierten russischen Oligarchen machten mich aufmerksam.
Ich suchte weiter im Netz und fand vieles für mich nicht eindeutig. Deshalb schrieb ich, mit der Bitte um Hilfe, u.a. folgende Kompetenzzentren an:
Bundesregierung (Wirtschaftsministerium)
Bundeskartellamt (Staatliche Behörde)
DAZN (Streaming-Dienst)
Kicker (Zeitschrift)
11Freunde (Zeitschrift)
Decoder (Portal über Russland)
Deutschlandfunk (Öffentlicher Sender)
Frankfurter Allgemeine Zeitung (Zeitung)
Correctiv (Recherche)
Investigativ NDR (Recherche)
Frankfurter Rundschau (Zeitung)
Jüdische Allgemeine (Zeitung)
Süddeutsche Zeitung (Zeitung)
taz (Zeitung)
ARD (Öffentlicher Sender)
Spiegel (Zeitschrift)
Philipp Ther (Historiker)
Hajo Seppelt (Journalist)

Innerhalb weniger Minuten antwortete Philipp Ther, ein Historiker aus Wien. Er fände mein Ansinnen interessant und sinnvoll, nur könne er mir nicht direkt weiterhelfen. Er riet mir, den Journalisten und Russland-Experten Hajo Seppelt zu befragen. Tat ich. Dieser reagierte nicht.
Geantwortet haben mir recht schnell die Bundesbehörden. Sie seien dafür nicht zuständig.
Der Spiegel fand es interessant, aber wenn überhaupt zu einem späteren Zeitpunkt für gut.
Darüberhinaus gab es nichts.
Aber der Deutschlandfunk antwortete mir nach einiger Zeit, dass er dran sei und veröffentlichte einen Monat später diesen Beitrag:
https://www.deutschlandfunk.de/dazn-leonard-blavatnik-100.html

Und DAZN?
Auch hier gab es eine schnelle Antwort. Sehr schnell. Nicht konkret auf meine Frage zu Verbindungen ihres Besitzers zu sanktionierten russischen Oligarchen, sondern allgemein:
„Hello Karsten,
I would be glad to help you with your concern.
DAZN condemns Russian despot Putin for launching a war of aggression. DAZN and Leonard Blavatnik (born in Odessa, Ukraine) stand behind the Ukrainian people.
I would be more than happy to take your request and pass it on.
You may follow us on Twitter and Facebook in order to stay up to date!“

So zahle ich weiterhin an DAZN, zeige Fußball mit aufgemalten Peace-Zeichen auf dem Rasen, denke über die Aluminiumhütten (in Russland und die aktuell nicht arbeitenden in der südlichen Ukraine) und was man so alles aus Aluminium machen kann, des Leonard Blavatnik nach.
Und bei der Metro hole ich weiterhin Pommes im Wissen, dass ein großer Teil des Umsatzes der Metrogruppe in Russland gemacht wird.
Mein Halbwissen hilft nicht weiter, um mein Handeln auszurichten.
Ich wurschtle, also zapf’ ich.
Die Fussball-WM in Katar ist das nächste moralische Problem, was sich auf den wirtschaftlichen Erfolg der Eckkneipe niederschlagen würde, wenn ich sie nicht zeige.
Mindestens nachzudenken ist erste Eck-Kneipen-Pflicht im täglichen rumwurschteln.