Kuschelig nach irgendwem irgendwo irgendwann

Es gibt dieses schaurig schöne, kuschelige Gefühl, das Sich-Einpacken in wonnige Wehmut. Der macht auf „melancholisch“, haben wir früher gesagt und gelacht. Wir erinnerten uns dann an einen Freund, der vor vielen Jahren auf dem Zeltplatz an einem See, als er den Blick in den sternenklaren, mitternächtlichen Himmel hob, den Wunsch, ein Albatros zu sein, hauchte. Der Grund war weder Melancholie noch Wehmut, sondern lag nicht weit von ihm und hatte lange Haare. Die von allen Begehrte sollte beeindruckt werden. In unseren Kreisen, damals Anfang der 80er in Leipzig, galt das Gegenteil von männlicher Rülpsigkeit, gepaart mit viel Verständnis für den Anderen, als Trumpf. Man kuschelte auch nur gerne mit dem oder der Anderen, zumindest in der offiziellen Version.

Diese Kultivierung der Kuscheligeit gab es in der DDR in verschiedenen Dimensionen. Und bis heute wird sie als positiv beschrieben und damit wenigstens indirekt auch das politisches System der DDR. Ein Beispiel ist der Roman „Ab jetzt ist Ruh“ von Marion Brasch. Sie kommt aus einer berühmten DDR-Familie. Ihre Brüder waren Schauspieler und Poeten, ihr Vater war in der DDR in Amt und Würde, u.a. als Minister. Marion Brasch arbeitete als recht bekannte Radiosprecherin beim Jugendfunk des DDR-Radios. Heute ist sie beim RBB tätig.

Ich kann mich bei ihrem Buch, und sie setzt es fort in ihrem Blog, nicht erwehren, diese DDR-Kuscheligkeit und ihre eigene Geschichte zu verknüpfen, und heraus kommt, dass es doch eigentlich gar nicht so „unkuschelig“ war.

Dann ist man nicht hin und her gerissen, von dem was passiert ist. Vielmehr schwelgt man in den alten Zeiten. Man erinnert sich an früher: alles war überschaubarer, klarer, kleiner und deshalb auch schmerzvoller bei Verlust. Gleichzeitig beinhaltet diese Enge immer eine Hilfe, Aufmerksamkeit, Anteilnahme deines Gegenübers. Die Willkür und zum Schluss das ohnmächtige Treten der „Organe“ nach allem, was sich nicht in ihren Augen loyal verhielt, machte aus dem Beobachten eines Mauerseglers einen staatsfeindlichen Akt. Das bloße Erwähnen von solchen Wörtern, die in diesem engen Land einen ganz anderen Bedeutungszusammenhang erhielten, brachte die eigenwilligsten Konstrukte hervor. Ein Beispiel stammt aus dem Jahr 1987 von der Band „Karussell“. Der Text des Liedes „Als ich fortging“ ist von Gisela Steineckert.

Als ich fortging war die Straße steil,
kehr wieder um.
Nimm an ihrem Kummer teil,
mach sie heil.

    Banales wird zum gemeinsamen Freiheitsaufruf.

Als ich fortging war der Asphalt heiß,
kehr wieder um.
Red ihr aus um jeden Preis,
was sie weiß.
Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein.
Ich weiß du willst unendlich sein,
schwach und klein.

    Sentimentales wird inhaltlich gedreht.

Feuer brennt nieder, wenn keiner es nährt.
Kenn ja selber, was dir heut widerfährt.

    Und es bleibt nur noch Kitsch übrig.

Karussell – Als ich fortging 1987 – MyVideo