Gerippte Kuschligkeit oder Saufen für Europa

Immer wieder bestellen zumeist junge Gäste, die zum ersten mal in der Vowi sind, einen Bembel. Sie setzten voraus, dass wir Apfelwein im Bembel ausschenken. Wenn wir ihren Wunsch verneinen und auf den Gläserausschank verweisen, kommt es vor, dass sie aufs höchste verwundert sind und es ihnen nicht in den Sinn kommt, wie die Kneipe bisher ohne Bembel ausgekommen sei.

Anstatt nach allem möglichen zu fragen, und ganz besonders in diesem Frankfurter Stadtteil nach der linken politischen Tradition, die sich 2018 zum 50en mal jährt,  geht es ihnen um gerippte Kuschligkeit einer kleinen heilen Welt?

Für euch, ihr jungen Gäste, sind die nächsten Zeilen!

Wir haben in der Volkswirtschaft vier einzelne Bembel.
Der erste Bembel heißt Besserwisser. Er ist ein Wanderpokal. Ihn bekommt der Sieger im monatlichen Quiz der Vowi. Er steht hinter dem Tresen.
Den zweiten Bembel haben wir von ehemaligen Stammgästen zum 10. Jahrestag der Kneipe  (2007) geschenkt bekommen. Er hat einen würdigen Platz im Archiv der Kneipe.
Den dritten Bembel nutzt ein Fanklub der Eintracht, der bei uns regelmäßig zu den Spielen anwesend ist. Zu diesem Bembel gibt es eine gußeiserne Ausschank-Halterung, die Faulenzer genannt wird. Denn je größer der Bembel ist, desto schwerer ist es, aus ihm auszuschenken.
Der vierte, und mit 15 Liter der größte Bembel, steht das ganze Jahr – bis auf den 23.12. – im Keller.  Dann wird er befüllt und von einer Gruppe von Gästen an diesem Tag gestemmt. Sein Name lautet Bembel des Todes.

Die eigene Gestaltung, Beschriftung und Verwendung der vier Bembel zeigen witzig und ein wenig ironisierend auf, wie man heute mit Tradition umgehen kann ohne ins Schunkeln zu verfallen und Heinz Schenk nachzutrauern.

Begriffe wie Hessen, Apfelwein, Gelsenkirchener Barock oder, um es aktuell politisch zu umschreiben (wie letztens unser Außenminister im Spiegel den Begriff Heimat), werden von unseren Gästen höchst eigensinnig interpretiert.

Letztens veränderte man den Anfeuerungsruf bei Eintrachtspielen „Wir fahren nach Europa“ in „Wir saufen für Europa“. Diese Umwandlung erfolgte so lautstark, dass sich weit jüngere Gäste darüber beschwerten. Nach einigen Dezibel-Kostproben und einer Schnapsrunde der jungen Leute ergab sich eine lebhafte Diskussion u.a. um Feminismus und Fußball.

Das ist die Volkswirtschaft.

Sie hat am 31.12.17 und am 01.01.18 geschlossen.