Partei

20 Jahre voll mit Geschichten aus der Volkswirtschaft
Nr. 8: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der SPD

„Vier Pfeffi und vier Mexicana bitte, Esther!“

Viele unserer Gäste stehen politisch im linken Spektrum. Für diese ist die SPD schon lange ihren revolutionären Wurzeln entflohen und Handlanger des Kapitals. Von den Grünen ganz zu schweigen.
Mindestens genauso viele finden sich politisch in den parlamentarisch agierenden Parteien wieder.

In der Kneipe wird politisch gestritten. Darüber bin ich froh. Ich finde, dies gehört zu einer guten Kneipe. Die Vowi ist offen für verschiedene Meinungen. Nur sehr wenige stehen abseits und weniger als eine Handvoll haben extreme Positionen. Diese wurden und werden mit viel Gleichmut akzeptiert. Dennoch gibt es Grenzen. Ohne näher ins Detail gehen zu wollen, gab es zwei erinnerungswürdige Szenen bzw. Diskussionen, wo diese Grenzen mir aufgezeichnet wurden. Und erst dadurch erkannte ich, dass man selbst in einer verfassungspatriotischen Kneipendemokratie nicht alles aus der Perspektive des Grenzgängers der Demokratie verstehen bzw. verteidigen muß.

Es gibt Grenzen, aber die Vowi hält vieles aus und ist gerne bereit, politischen Kredit zu wagen.

Die Troika auf dem Foto zeigt von rechts aus gesehen zwei alt gediente SPD-Mitglieder, die ehemalige und zeitlose Stammgäste sind und ganz links befindet sich mein Vorschlag für die nächste Kanzlerin.

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2004. Die heimliche Chefin der Vowi, der zukünftige Präsident der Eintracht und der Pate von Bockenheim

Zur Bundestagswahl 2005 gab es eine Veranstaltung in der Kneipe. Ich fand außer für die FDP jeweils einen Gast, der erklärte, warum er die SPD, damals die WASG und die CDU wählen wollte. Anschließend wurde darüber diskutiert. Im September 2017 zur nächsten Bundestagswahl soll es eine Wiederholung geben.

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2005. Der Flyer zur Bundestagswahl-Diskussion in der Kneipe. Eine sehr gelungene Veranstaltung

Nicht vergessen habe ich einen Tag, wo es weit nach Mitternacht plötzlich voll wurde. Nach einer Blockupy-Demo kehrte eine kunterbunte Mischung aus Altlinken, Antifas und sonstigen kritischen Geistern ein. Vor der Kneipe bewachten uns mehrere Polizeiautos. Ich hatte keine Zeit nachzufragen, wie der Tag verlaufen war, denn zuerst kommen die Getränke und danach das Essen dran. Später fand ich Zeit, mit einigen Gästen zu reden. In vielem waren wir uns einig. Nur, wie man die Forderungen durchsetzt oder sich mindestens Gehör verschafft, darin ergab sich kein Konsens. Ich verwies etwas altväterlich auf meine gewaltfreien Erfahrungen in Leipzig im Herbst 1989. Leider punktete ich nicht wirklich damit. Trotz der vielen Durcheinander gab es keine Probleme. Wie so oft, konnte ich mich über die Gäste der Kneipe nicht beklagen. Später fragte die Polizei, wann ich denn schließen würde. Wahrscheinlich waren sie müde und nicht aus Frankfurt, sonst hätten sie gewusst, dass es schon lange keine Sperrstunde mehr gab. Nur eine sogenannte Besenstunde wird gefordert, wenn man 24 Stunden offen hat. Man muß den Laden für eine Stunde schließen, um zu putzen. Dann kann man wieder öffnen. Ich hatte nichts dergleichen vor. Die Gäste der Kneipe ebenfalls nicht. Und so gingen alle, aber sehr spät, nach Hause.

Anfang 2016 diskutierten der jetzige Planungsdezernent Mike Josef, der Geograph Christoph Siegl und unsere Nadja als Moderatorin von der FR über die Veränderungen (Mieten, Wohnungen, Veränderung der Bevölkerung, Veränderung durch den Uni-Wegzug) in unserem Stadtteil Bockenheim. Es gab reges Interesse und diverse Diskussion. Ich würde mir so etwas öfters wünschen. Allerdings wurde ich ständig gefragt, ob wir jetzt eine SPD-Kneipe wären, denn auf dem Plakat stand, dass die Veranstaltung in Kooperation mit der SPD Bockenheim stattfand.

Um es klar zu stellen: Die „Volkswirtschaft“ ist eine Kneipe für alle. Um politisch diskutieren zu können, brauchen wir eine gemeinschaftliche Basis. Der politische Dissens ist dann kein Problem. Wenn also diese Basis der Patriotismus auf unsere Verfassung ist, bin ich sogar bereit, mir beispielsweise Verschwörungstheorien anzuhören, solange sie nicht antisemitisch, faschistisch, rechtsradikal und antidemokratisch sind. „Mehr Demokratie wagen“ ist das Sonnenöl, mit dem ich mich unter den politischen Gestirnen schütze.

Die SPD Bockenheim entwarf das Plakat. An den Druckkosten beteiligte sich die Kneipe. Die Idee zur Veranstaltung stammte, glaube ich, von mir. Bei Mike Josef hatte unser Gast Jan angefragt, wobei Mike hin und wieder selbst in der Kneipe ist. Ich bin übrigens nicht in der SPD und habe nur zur Bundestagswahl 1990 meinem örtlichen Direktkandidaten der SPD eine Stimme gegeben und Oskar Lafontaine in der Festhalle zugejubelt. Dies war ein Fehler im nachhinein, aber das ist eine andere Geschichte.

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2016. Das Plakat zur Veranstaltung machte uns zur SPD-Kneipe.

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2016. Aber nicht alles hält ewig.

„Noch mal das Gleiche. Besser ist besser!“