„…einen monatlichen Umsatz von nicht viel mehr als vier Tonnen Bier.“

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Uwe Johnson der große deutsch-(deutsche) Schriftsteller, der leider viel zu früh, wohl auch am Suff, 1984 verstarb, hatte zu Beginn der 60er Jahre vor, einen Roman über Fluchthelfer aus Westberlin zu schreiben. Diese hier organisierten die Flucht aus der DDR ohne kommerzielle Ziele. Sie hatten ausschließlich politische Gründe. Uwe Johnson interviewte für sein Projekt einige der Fluchthelfer, verfolgte aber den Roman nicht weiter. Glücklicherweise sind zwei Interviews und ein Stück Prosa erhalten geblieben und jetzt als Buch
Uwe Johnson, Ich wollte keine Frage ausgelassen haben. Gespräche mit Fluchthelfern.
Berlin 2010
– erschienen.
In diesem Prosafragment, daß in einer Westberliner Kneipe spielt, fand ich folgende Passagen, die mich schon ein wenig an die Vowi erinnerten:

„Zu der zimmerbreiten, hallenhohen Höhle, die schon in der Dämmerung wie ein bürgerlicher Wohnraum ausgeleuchtet war, hielt eine Skatclique und anderer Stamm, der seit dem Krieg an die Wirtsleute gewöhnt war, da wurde über die Straße verkauft an Ehefrauen, die den Mann zu Hause halten wollten, mochte er dabei trinken, da kamen nach Ende der Kinovorstellungen, der Fernsehprogramme Paare ohne Durst und andere Laufkundschaft von der Bushaltestelle, dem diesseitigen Aufgang der Untergrundbahn, und schafften alle einen monatlichen Umsatz von nicht viel mehr als vier Tonnen Bier.

Bis in den späten Nachmittag war die Wirtin, eine junge Person, meist allein mit dem näselnden Ton des Wasserüberlaufs, den acht viersitzigen Tischen, der Stammecke, der altertümlich verzinkten Theke, den Flaschen in dem fichtenen, auf altdeutsch zugesprochenen Regal…

Gegen die Wasserflecke, die graugelbe Schmutzfärbung im Stuckfries unter der zweimannshohen Decke, im Lampenmedallion konnte sie kein Geld aufwenden, die Stühle mußten so schäbig bleiben, und überdies war der Stamm der Gäste empfindlich gegen allzu zeitgemäße Neuerungen, so daß die Buntdrucke mit gebirgigen und Birkenwaldansichten unter den rosa beschirmten Lämpchen an den Wänden weiterhin den versonnensten Blicken ausgesetzt bleiben…“

1965
Uwe Johnson, Eine Kneipe geht verloren., S. 203-234
in Uwe Johnson, Ich wollte keine Frage ausgelassen haben. Gespräche mit Fluchthelfern.
Berlin 2010
Original-Interviews von Uwe Johnson