Über die Natur des Maulwurfes und andere Geschichten

Gestern musste ich zur Maulwurf-Obrigkeit.

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Die Obrigkeit sitzt gerne hoch.

Ein Maulwurf nicht weit von meinem Bau bedroht immer wieder wahllos nachts grabende Kollegen. Sie wären zu laut und würden ihn damit nerven. Dass Maulwürfe nachts graben ist doch normal. Es ist unsere Natur.
Auf jeden Fall sollte ich der Obrigkeit meine Sicht der Dinge schildern. So berichtete ich meine Erlebnisse. Auch mich persönlich wollte er „züchtigen“. Er hatte sogar einen schweren Erdklumpen in der Tatze. Er würde allen Maulwürfen zeigen, wer der Maulwurf-König sei und wenn sie nicht in den nächsten Park umziehen würden, dann sollte bald etwas passieren.
Ich gab der Obrigkeit eine Auflistung aller Attacken, benannte andere Maulwürfe als Zeugen und zählte auf, wie ich durch Klopfzeichen die Obrigkeit jeweils benachrichtigt hatte.
Man nickte meinen Angaben zu. Wir Maulwürfe sehen ja nicht besonders gut. Ich spürte aber Übereinstimmung. Ich spürte eine Art Empathie. Wir hatten dies den Menschen über uns abgeschaut. Unsere Ältesten sagten, dass dies der Unterschied sei zwischen denen da oben und uns. Und wenn wir die permanente Evolution überleben wollten, müssten wir diese Eigenschaft adaptieren.
Ich sinnierte also gerade über die Menschen, als mich die Obrigkeit entließ und mich durch einen Untermaulwurf zum Ausgang krabbeln ließ. Ich frage, wie es weitergeht mit meinem gewalttätigen Nachbar-Maulwurf. Die Obrigkeit wirkte ein wenig ratlos. Noch ist ja nicht so viel passiert. Erst, wenn etwas passiert, dann kann die Obrigkeit eingreifen. Bis dahin sollte man hoffen, dass er zur Vernunft käme oder Hilfe bei einem Maulwurfdoktor erhielte. Denn er benötigt Zuspruch, weil er innere Stimmen hören würde, die ihm eingeben, sich zu wehren gegen einfach alle. Sprich gegen alle anderen Maulwürfe in seiner näheren Umgebung.
Ratlos wie die Obrigkeit hielt ich inne und wuschelte in den Fahrstuhl. Bei der Obrigkeit wird nicht so viel gekrabbelt, sondern man fährt nach oben. Dort hörte ich andere Obrigkeiten frank und frei in meiner Anwesenheit über die gerade stattfindende Ereignisse sprechen. Die Obrigkeit war genervt. Das Maulwurfshügel for Future-Gedöns würde alle vorhandenen Kräfte benötigen. Man hätte keine anderen Maulwürfe mehr zur Verfügung. Ach diese verworrene Welt macht auch vor uns unter Tage nicht halt.

Zu Hause im Bau angekommen, fand ich einen Brief einer Unterabteilung der Obrigkeit. Ihr müsst Euch vorstellen, dass wir Maulwürfe so eine Art Brief erhalten, den wir riechen und nur sehr grob lesen. Riechen klappt bei uns ja wesentlich besser als sehen. Ich roch mich „lesend“ durch den Brief.

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Der Brief

Man drohte mir mit einer Strafe, weil ein anderer Maulwurf sich tagsüber, wenn es bei uns leise zu sein hat, beschwert hatte, ich sei zu laut und würde meinen Bau, wenn mich andere Maulwurfkumpels besuchen, nicht ordentlich verschließen.
Entweder ich akzeptiere, dann müsste ich vielleicht 200-400 kg Kartoffeln zahlen oder ich lege Widerspruch ein uns müsste begründen, warum es tagsüber, was bei euch Menschen die Nacht ist, doch nicht so laut war. Natürlich habe ich was geschrieben. Ihr wisst schon, einen Riechbrief zusammengestellt. Mal sehen, was passiert. Leider habe ich so viel Freunde und dazu noch herrlichen Kartoffelschnaps. Vielleicht mache ich da mal ein Geschäft draus. Könnte ich Glühlampe oder Glühlampenwirtschaft oder Blindflug nennen.

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Meine Zukunft?

Ich blieb enttäuscht vom Tag zurück. Der eine Maulwurf kann über Monate hin anderen Maulwürfe bedrohen, sie mit seiner Tatze schlagen und mir Maulwurfsdresche anbieten, wenn ich weiter in seiner Nachbarschaft buddle. Ein anderer Maulwurf wiederum geht zu einer Unterabteilung der Obrigkeit. Sagt, dass ich auch tagsüber zu laut grabe und vielleicht mit viel Glück muss ich keine 400 kg Kartoffeln zahlen und komme mit einer Verwarnung, was bei uns Maulwürfen ein paar Rettiche sind – mögen wir gar nicht – davon.

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Ein Rettich. Schmeckt uns nicht.

Ich fühle mich ungerecht behandelt und konnte meine Verwandtschaft östlich des Huthparkes ein wenig besser verstehen.

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Die Region östlich des Huthparkes

Sie regen sich pausenlos auf, dass ihre früher mit schweren Fundamenten eingekesselten Wiesen jetzt offen sind für alle. Und alle wollen sie nicht. Aber alle wollen dort auch nicht hin.