Kein kategorischer Imperativ in der Kneipe

Kommen zwei Gäste in die Vowi. Der eine bestellt und teilt mir mit, dass sein Freund heute Geburtstag hat und ob es dafür was aufs Haus gibt. Ich verneine und gebe als Grund an, beide nicht zu kennen. Weiter sage ich, dass es nicht geht, sich selber aufs Schild zu heben, was meint, den Wirt zu fragen, ob sie einen ausgegeben bekommen. Wenn, dann gibt der Wirt aus. Da ich sie nicht weiter kenne und daher nichts Persönliches bzw. Besonderes zwischen uns ist, gibt es für mich auch keine Veranlassung. Der einfordernde Gast steht zu seiner Meinung und berichtet, in der Bar zuvor hätte er dies genau so gemacht und sofort etwas umsonst bekommen, warum dann hier nicht. Er wäre auch schon mehrmals hier gewesen und ist Nachbar, der allerdings jetzt wieder wegziehen würde. Ich bleibe bei meiner Aussage und wiederhole, sie eben nicht weiter zu kennen (nicht als Gast, im besten Falle als vorbeilaufender Nachbar, weil er einen kleinen auffallenden Köter hat) und dass die Bitte nach Umsonst-Getränken auch eine ablehnende Antwort enthalte, sonst bräuchte er nicht zu fragen und könnte gleich alles im Imperativ formulieren.
Dem eigentlichen Geburtstagskind ist die Diskussion peinlich. Er versucht zu vermitteln. Ich gehe darauf ein. Als es ans Bezahlen geht, bekomme ich zwar Trinkgeld, aber mit der Bemerkung, dass ich es mir eigentlich nicht verdient habe. Daraufhin gebe ich ihm das Wechselgeld mit dem Trinkgeld zurück.
Zum Schluss hielt ich meine harte, aber in meinen Augen moralisch richtige Linie nicht durch und stieß mit beiden an. Ich hatte das Geburtstagskind im Blick, der wesentlich freundlicher wirkte und dem das Nachstechen seines Kumpels peinlich war.
Interessant war die Optik des selbsbewusst einforderten Gastes. Die Haare waren etwas -im Verhältnis gesehen- länger, was für ihn bedeutet, dass er sich Freiraum nimmt, was wiederum übersetzt bedeutet, dass für ihn ein Jogi Löw-Schal individuelle Freiheit bedeutet. Zwar hatte er keine Bootsschuhe an, aber er hat sie -jede Wette- zu Hause. Er trug modische Sneaker beige und weiß. Noch klarer wurde mir sein Verhalten, als ich so nebenbei hörte, wofür er Geld ausgibt: Reifenwechsel bei Porsche in einem Porsche-Zentrum in NRW und Ölwechsel bei seinem (?) Boot.