Jetzt ist ein neuer Roman des Leipziger Schriftstellers Wolfgang Hilbig erschienen: „Das Provisorium“. Den Autor könnte man mit seinem Erscheinungsbild und seinem sächsischen Dialekt für einen Bewohner des Männerwohnheimes gleich neben der Vowi halten. Dieser erste Blick wird noch bestätigt, wenn man sich seine Biographie anschaut. Er war Heizer in einem Kesselhaus, ehe er nach und nach als Schriftsteller in der DDR in Erscheinigung trat.
Die Erzählungen und Romane Wolfgang Hilbigs handeln zumeist in der DDR, oft in Leipzig. Den auftretenden Personen geht es nicht gut, bedingt durch die Situation in der DDR, wo weder Reflektionen über und schon gar nicht Kritik am Status Quo geäußert werden durfte. Manche Personen entwickeln eine Art Eigensinn, auf dem sie beharren, oder sie weichen in eigene Gedankengebäude aus.
In seinem letzten Roman „Ich“ wird die gerade schizophrene Situation eines Schriftstellers, der als inoffizieller Mitarbeiter der Staatsicherheit arbeitet, dargestellt. Die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Erfundenem ist kaum noch möglich. Und wenn ich da an Sascha Anderson denke, einem Schriftsteller aus der Prenzlauer Berg – Szene, der jahrelang der Stasi alles mögliche über die Intellektuellen aus seinem Umkreis berichtete und scheinbar keine moralischen Gewissenbisse empfand, erahne ich tiefste seelische Abgründe.
„Das Provisorium“ erzählt über einen Helden, der aus der DDR kommend, vor der Wende mit einem Visum in der BRD weilt. Für ihn gibt es kein sicheres Fundament mehr: das alte System der DDR gab einen Halt in der Wiederstandshaltung und in seiner Klarheit des alltäglichen Lebens. Der Westen scheint nur ein riesiger Konsumtempel zu sein, der verwirrt und keinesfalls die Alternative zum real existierenden Sozialismus bildet. So bleibt nur ein Leben als Provisorium und der Suff.
Euer IM Marcel R.-R.