Ruhm und Ehre einer gefallenen Heldin der DDR, 1. Teil

Ruhm und Ehre einer gefallenen Heldin der DDR, 1. Teil, Kleo, Serie auf Netflix
Der Starke ist am mächtigsten allein (Schiller, Wilhelm Tell, 1. Akt, Dritte Szene)

Kleo
mit Jella Haase
Serie, 2022 auf Netflix, die 2. Staffel ist in Planung
Kaugummi-Serie über Umgang mit DDR-Phanthom-Schmerzen in der Wendezeit

Die Serie ist so, als ob gefragt würde, spiegeln die Menschen am Tresen der Vowi nach Mitternacht die Wirklichkeit in Deutschland wider.
Natürlich nicht, wäre eine Antwort. Außerdem sind viele stark angeschnackelt. Das macht manche Schranke wirkungslos, hilft aber, sich keine Gedanken zu machen.
Schon irgendwie, wäre eine andere Antwort. Der Alkohol ist wirkungsmächtige Medizin, um manches Versteckte, Verdrängte nach Mitternacht auf die Welt zu bringen. Bei Tageslicht wäre ich vorsichtiger damit. Man sieht mehr.

Somit ist der Tresen um Mitternacht, wie die Serie, ein ganz kleiner Teil der Wirklichkeit. Er ist eine Matrojoschka (Schachtelpuppe), die Figur um Figur, im Inneren versteckt, dabei immer kleiner wird, an Bedeutung verliert und dennoch Wirkung erzielt.

Nebensatz:
Elsterglanz aus dem Mansfelder Land erklären, was Matrojoschka-Autismus ist.

Das die Serie in Erinnerung bleiben könnte, liegt an der Hauptdarstellerin Jella Haase. Ihre Präsens, ihr Gesicht, ihre Kraft, ihre Sprache geben der Serie den Bums. Die DDR-Geschichte ist Staffage. Verpackt als bunte Kaugummi-Blase. Eine Erfindung, sage ich. Die DDR hatte nichts Leichtes. Mehr Sauerkraut oder Saure Gurke als dicker mit Sahne gefüllter Windbeutel.
In Leipzig, beispielsweise, gab es nichts Buntes. Schlechte Luft, graue Wolkendecke, Einschusslöcher noch Jahrzehnte nach dem Krieg, Phenolschaum auf dem Elsterflutbecken, an deren Seitenärmchen die Reste der Auenwälder vermoderten. Hier vergammelten im wahrsten Sinne die Ideale einer schönen neuen Welt. Heute sind wir Erben, die nichts außer Schuldscheine haben.
In der Serie sind die Schuldscheine Koffer voller Geld. Böses Geld. Westgeld. Kaugummi-Geld. Um Geld ging es doch nie im Sozialismus, sondern um die Bedürfnisse des Menschen. Und da es in der DDR hin und wieder das Bedürfnis nach Kaugummi gab, konnte man gegen Westgeld im Intershop drei verschiedene West-Kaugummi-Sorten von Wrigley’s kaufen. Mit denen gingen Blasen wirklich gut. Der Film verwechselt die Erinnerung von Westkaugummi-Blasen mit der Wirklichkeit von Sauren Gurken. Diese gab es immer im Fass oder Glas. Kaugummi dagegen gab es so selten, dass er sich verselbstständigte als unerreichter Bestandteil des Glücks im Paradies im Westen.
Schon gut, ist ja nur ein Film. Der Duft des Westen, der festklebt. Schwer zu erklären. Vielleicht heute vergleichbar mit der Wirkung der spanischen Enklaven Ceuta und Melilla in Marokko. Alle, die von Süden kommen, sehen die Schaufenster Europas, einer Welt, die selbst im schlechten Zustand besser scheint, als die alte Welt. Mir erging es so. Ich kann es bestätigen. Nicht vergleichbar im Lebensrisiko, weil ich weiß und DDR-Deutscher war. Die Nichtanerkennung der DDR durch die BRD ermöglichte, dass wir alle nicht zur Ausländerbehörde, sondern zur Meldestelle mussten, um Ausweis und Begrüßungsgeld abzuholen.