Kategorie: Früher

Früher -in der DDR- haben die Erdbeeren besser geschmeckt und die Bäckerläden waren herrlich, sonst war nichts gut

Gefühlte Arbeitslosigkeit

Letzte Woche gab es die neueste (IM Vowi-Version: Puhdys)-, (Herbst-Version: Nick Cave Doppel) CD in WOM bei Karstadt für 12,99 bzw. 15,99. Durch die Kosmetik- bzw. Luxus-Light-Abteilung im Erdgeschoss geht es zur Rolltreppe. Dort ordnen in schwarzen Hosenanzügen, Make-up-gebleichte Frauengesichter geschäftig gelangweilt beispielsweise den Duft von Fahrenheit (Dior) als Parfüm, Eau De Toilette, Aftershave oder Deodorant von links und dann wieder nach rechts. Ihre männlichen Pendants bieten entweder die FAZ für vierzehn Tage kostenlos an (vor der Tür gibt es die Rundschau) oder können sich -nur unter Aufsicht- am Schminktisch ausprobieren. Ich nahm den Fahrstuhl und machte einen Zwischenstop in der Sportabteilung in der zweiten Etage. Dort wurde gerade mittags! der offizielle Fußball-WM-Laden eröffnet. Lauter wichtige Personen wuselten herum. Einiges war abgesperrt. Am Rande saß ein riesiger, übergewichtiger Junge, dessen kindliche Gesichtszüge über Gebühr von der Pubertät in Anspruch genommen wurden. Er sah aus wie ein Chamäleon: von der einen Seite wie ein Junge aus der fünften Klasse und von der anderen Seite wie ein vierzehnjähriger Junge aus sowjetischen Spielfilmen. In der deutschen -DDR- Übersetzung dieser Filme erscholl bei einem Lachen stattdessen ein metalisch klingendes Krähen: Rra, Rra, Rra. (Die jungen Synchroniationssprecher waren oft Kinder und Jugendliche vom Sprecherensemble der DEFA, welche man bis heute im Fernsehen an ihrem Dialekt erkennt: berlinerisch mit hallenser Einschlag -widerlich. Beispiele: Nadine – Wolffs Tochter aus Wolffs Revier, Mirko aus Samstag-Nacht).
Noch zwei Etagen im Fahrstuhl, und ich war am Ziel. Ich sah bereits den leuchtenden symbolischen Eingang von WOM, als ich auf zwei mittelalterliche Verkäuferinnen aufmerksam wurde, die Bestseller einordneten. Dabei unterhielten sie sich missmutig. Da fiel mir es wie Schuppen von den Augen. Es war Donnerstag. Gerade saßen die Gewerkschaft und die Konzernführung zusammen, um über Entlassungen, Gehaltskürzungen, längere Arbeitszeiten usw. bei Karstadt/Quelle zu entscheiden. Ich ging kurzentschlossen hin und fragte sie, ob sie mir ein Buch zum Thema Hartz IV empfehlen könnten. Danach ergriff ich die Flucht.
WOM hat sich wirklich gemacht. Das Sortiment ist besser geworden, die Preise ebenfalls. Es gibt nach wie vor das kostenlose, oft informative, monatlich erscheinende WOM-Heftchen. Man kann sich viele Musikzeitschriften in aller Ruhe ansehen, und die Verkäufer haben sogar Ahnung von der verkauften Musik – im Gegensatz zu Saturn-Hansa. Dort hat der Jazz- und Klassik-Fachmann genau soviel Ahnung, wie der Kollege in der PC-Abteilung von dort ebenfalls erhältlichen Apple-Computern – nämlich gar keine.
Ich kaufe meine CDs ein wenig weiter im Musikladen in der Stiftstraße: klein aber fein! Ein sehr gut sortierter Laden, wo der Chef und die Angestellten sehr sachkundig fast immer weiterhelfen können. Die Puhdys-CD habe ich nicht gekauft, dafür die neue Amon Amarth, die neue Heaven Shall Burn, die neue Megadeth, die neue Frank Zappa, die neue Bjõrk, vielleicht noch die neue Kante, den Tannenbaum, das Celsius, den Dr. U-Boot, ein Haus nicht in Kalbach, sondern im Nordwesten von Irland…

IM Vowi

Werter Genosse

Auch in Frankfurt findet man sie noch. Unauffällig haben sie sich in alle sozialen Gruppen und in verschiedenste Berufszweige vorsichtig eingenistet. Auch als „Romeos“ getarnt, vollziehen sie ihren Auftrag. In Bockenheim sind zwar die Kopierläden in iranischer Hand – die Kneipen aber gehören schon zu einem großen Teil merkwürdigerweise Mitbürgern aus den Neuen Bundesländern. Selbstverständlich kann auch ich meine Herkunft nicht verleugnen. Ein früherer Arbeitskollege aus der Normannenstraße schickte mir diese Zeilen der DDR-Nationalhymne (mp3) zu unserem Republikgeburtstag, von deren Musik ein nuschelnder norddeutscher Pop-Sänger vor Jahren das Gerücht streute, die Musik sei geklaut. Ein Lied namens „Good bye, Johnny“ (mp3), welches Hans Albers im Film „Wasser für Canitoga“ intoniert, diente Hans Eisler als Vorlage. Der Autor besagten Liedes „Good bye, Jonny“, Peter Kreuder, wunderte sich ein wenig, als er 1976 durch die DDR tourte und „Good bye Johnny“ darbot, dass die Zuschauer nach den ersten Tönen sofort aufstanden und Haltung annahmen. Wenigstens den Text hat Johannes R. Becher nicht geklaut.

Werter Genosse, die folgenden Zeilen seien Ihnen eine Inspiration für diesen Tag:

1. Auferstanden aus Ruinen
Und der Zukunft zugewandt,
Laß uns dir zum Guten dienen,
Deutschland, einig Vaterland.
Alte Not gilt es zu zwingen,
Und wir zwingen sie vereint,
Denn es muß uns doch gelingen,
Da§ die Sonne schön wie nie
|: Über Deutschland scheint. 😐

2. Glück und Frieden sei beschieden
Deutschland, unserm Vaterland.
Alle Welt sehnt sich nach Frieden,
Reicht den Völkern eure Hand.
Wenn wir brüderlich uns einen,
Schlagen wir des Volkes Feind!
Laßt das Licht des Friedens scheinen,
Daß nie eine Mutter mehr
|: Ihren Sohn beweint. 😐

3. Laßt uns pflügen, laßt uns bauen,
Lernt und schafft wie nie zuvor,
Und der eignen Kraft vertrauend,
Steigt ein frei Geschlecht empor.
Deutsche Jugend, bestes Streben,
Unsres Volks in dir vereint,
Wirst du Deutschland neues Leben,
Und die Sonne schön wie nie
|: Über Deutschland scheint. 😐

Es ist noch nicht vorbei, der Kampf gegen die konterrevolutionären Elemente hat gerade erst angefangen.
Für Frieden und Sozialismus seid bereit und mit sozialistischem Gruß.

IM Vowi

Unscharfe Bilder und markanter Geruch

Hier sind die ersten unscharfen Bilder aus dem Osten nach den Aufdeckungen der letzten Wochen über die angeblichen Milliarden-Gräber.
Das erste Bild stammt etwa 330 km östlich von Leipzig vom Fuße des Riesengebirges. Zu sehen sind wichtige Proklamationen, Vorschläge und Leitfäden, wie es hier noch besser gehen kann, an einer allen zugänglichen Stelle gut lesbar angebracht. Beim Klicken auf das Bild ist ein verdeckter Ermittler, der alle Anwesenden auf Schritt und Tritt verfolgte, mit einer versteckten Kamera aufgenommen. Irgendwie kam er uns (IM Vowi, IM Schneekoppe, IM Jaruselski und IM Bärlauch) bekannt vor.
Seit 40 – nein- seit 50 Jahren hat sich hier nichts geändert!

Das zweite Foto zeigt den Aufschwung am Beispiel des Leipziger Auenwaldes mal ganz direkt. Das Projekt nennt sich „Bärlauch: Vorbildlich schleimlösend“ (in Anlehnung an einen Gedichtband eines westdeutschen Leipziger Lyrikers Adolf Endler, der mal einen Gedichtband herausgab, wo man eine Karo-Zigaretten-Schachtel sehen konnte mit besagtem Titel.) Bärlauch desinfiziert den Darm, hilft gegen Durchfall und bei Hauterkrankungen und unreiner Haut. Er wirkt blutreinigend und schwach blutdrucksenkend – bei Bronchitis bzw. Husten wirkt er schleimlösend.
Wie zu sehen ist, gibt es bereits ein Billiglohnsegment, wo auch schon sehr junge Mitbürger arbeiten können. Kaum war die Ernte eingefahren, hielt ein größerer PKW mit Frankfurter (am Main)-Kennzeichen. Der Bärlauch wurde eingeladen. Getreu nach Tarif wurde der Stundenlohn von 1,50 Euro gezahlt und der PKW fuhr gen Westen, wo es den Bärlauch vielleicht schon am Mittwoch in einer Kneipe geben wird.
Ganze Familien arbeiten hier!

IM Vowi

Tschaikowski

Durs Grünbein
TSCHAIKOWSKI

für Markus Lüpertz

Dresden im schlafkranken Tal,
Ein Mauerblümchen zu Sowjetzeiten:
Da bin ich geboren, da komm ich her.
Frag nicht, es gab nie die Wahl –
Gehen und Bleiben, in diesen Breiten.
Darum klingt manches so schwer.

Tänzeln? – Wie das, wo der Fuß
Früh schon in Mammutspuren versank?
Sirenengesang war das Wiegenlied
Aus Grimmschen Märchen, Kiewer Russ
Und Völker hört die Signale. Schwankend,
Keiner entkam dem Tiefdruckgebiet.

Elbe, der Strom hielt ihn fest,
den Romantiker in der Straßenbahn.
In Schneewehen schlafend, mancher erfror.
Mancher fiel, flügellahm, aus dem Nest.
Doch nie mehr sah ich Tschaikowskis Schwan
So vollendet sterben wie dort.

IM Vowi

Othello-Keks mit viel Kakao von Wikana und Knusperflocken von Zetti

Irgendwas bleibt immer hängen –
aber natürlich konnte sich IM Vowi letzte Woche nur ein paar Sentenzen des letzten Jahres vergegenwärtigen und sie niederschreiben. Vieles, ach was sage ich, die Hälfte, nein, weit über die Hälfte fehlt.
Gepeinigt durch unerträgliche Schmerzen, welche die Schrauben aus einer Stahllegierung samt der beiden Unterlegscheiben in seiner Kniescheibe bei jeder Bewegung verursachen. Gestraft durch den Rückgang der Muskeln am Knie und Oberschenkel, die aus einem gestählten Körper einen müden (und durch unzählige Streuselstückchen von seinem Lieblingsbäcker und nach einem Kuraufenthalt in der sächsischen Landeshauptstadt kiloweise mitgebrachten Süßigkeiten, wie Othello-Keks mit viel Kakao von Wikana und den Knusperflocken von Zetti, die aus Knäckebrot und Schokolade bestehen und nicht zu vergessen der neuen Milka-Schokolade Marzipan-Creme, umhüllt mit zartherber Schokolade) mittlerweile täglich um mehrere Kilo massigeren Körper machten. Anstatt mit zwei Beinen müssen mir zwei Krücken und ein Bein helfen auf Wegen, die ich vor dem Fall in Minuten erldigen konnte, nun aber Stunden benötige. Dazu kommt noch der öde und langwierige Papierkram mit der Versicherung für Ex-Mitarbeiter der -wie wir im Osten sagten FIRMA-. Als ich mich bei einer der letzten Täter-Opfer-Treffs in der Berliner Normannenstraße mit dem Wirt der Vowi darüber unterhielt, hat dieser nur gelacht. Bei ihm sei dies alles nicht so schlimm. (Ich hatte wie er den gleichen Unfall fast zur selben Zeit.) Er könne – so hoffe er- bald wieder arbeiten. Er ist und bleibt ein Großmaul, dieser Pseudo-Fußballer.

IM Vowi

Es geht ein Gespenst um in der Mitropa…

Es geht ein Gespenst um in der Mitropa…

Der Titel der kleinen Ausstellung über meine Jahre in Leipzig ist aus einem Lied (Ein Gespenst geht um) von der Silly-LP „Februar“, die 1988 erschienen ist. Ich bin nie ein großer Fan von Silly gewesen, aber ihr professionelles Auftreten auf der Bühne, die frühzeitige Kritik an der DDR -als es noch gefährlich war- und diese so typischen DDR-Doppeldeutigkeiten in ihren Texten sind mir in guter Erinnerung.

Selbstverständlich geben die Dokumente, Papiere, wenigen Fotos und Erinnerungsstücke nur einen Teil meiner Leipziger Jahre wieder. In erster Linie meine -im Vergleich zu anderen- harmlosen Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht. Zum anderen zeigen sie -fast ein wenig überzeichnend-, wie sich mein ?ußeres gezeichnet durch diese Auseinandersetzungen (und heute würde ich noch rückblickend milde lächelnd sagen aus jugendlichen Übermut), verändert hat. Der Bruch in meinem noch recht jungen Leben muß sich zwischen der 9. und 11. Klasse von der Groesse eines Haarrisses zum nicht mehr reparablen Zustand entwickelt haben. Die Ursache dieser Ereignisse waren gewisse Eigenschaften und Eigenheiten meiner selbst, eine Art Erleuchtung durch westliche Rockmusik und das repressive -dabei bornierte und geradezu ängstliche- Auftreten der Staatsmacht in Person meiner Klassenlehrerin.

Das, was das Leben vieler meiner Freunde und mir in unserem Alltag ausgemacht hat, kommt nur ganz am Rande vor. Auch wir haben, wie schon Erich Honecker in seiner Autobiographie berichtete, so manches Glas Bier, Wein oder Schnaps getrunken. Auch wir haben uns die Nächte um die Ohren geschlagen, waren regelmäßig bei Feten, um Mädchen kennenzulernen, haben die neueste Platte, unsere musikalischen Helden, wenn sie einer über Umwege aus dem Westen bekommen hatte, beispielsweise zu zehnt voller Freude zum ersten mal gehört. Auch bei uns wurde Herrmann Hesse oder Jack Kerouac gelesen. Auch wir fühlten uns manchmal einsam, trostlos, ohne Zukunft und am nächsten Tag, weil vielleicht eine Tramptour nach Bulgarien anstand, waren wir voller Energie und vergaßen die staatliche Enge. Meine Freunde und ich lebten in einer Nische, wobei die Grenzen zu einem für die DDR-normalen Leben sich bei einigen vermischten – bei anderen wurde das Nischendasein empfindlich durch die willkürliche Staatsmacht oder durch typische DDR-Ereignisse (z.B. Wehrpflicht) gestört.

In den letzten Jahren der DDR galt in meinem Freundeskreis ein Gesprächsthema: hier bleiben oder in den Westen gehen. Diese lebenswichtige Entscheidung wurde intensiv immer wieder aufs Neue besprochen. Dahingehend eine Entscheidung zu treffen, verlangte von vielen jungen Leuten eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen. Es musste mit Repressionen, solange man noch in der DDR war, gerechnet werden, die Aussicht, seine Freunde und Verwandten in der DDR wiederzusehen war gering, und was einen im Westen erwartete, war wohl, wie sich im Nachhinein herausstellte, vielen nicht besonders klar.

Was bleibt, muss jeder für sich selbst wissen.

„Es geht ein Gespenst um in der Mitropa…“
7. Oktober 2003 (54. DDR-Geburtstag) – 9. November 2003 (86. Oktoberrevolutions-Geburtstag)
kleine persönliche Ausstellung über Karstens Jahre in Leipzig 1966-1989
mit Dokumenten, Texten, Fotos, Schulbüchern, Zeitschriften, Spielzeug u.a.
virtuell:
Es geht ein Gespenst um in der Mitropa…

Die Vergangenheit von IM Vowi

Natürlich hat IM Vowi auch eine Vergangenheit. Vor 1989 war er im Referat Gewinnung von Nachwuchs, welches wiederum dem Stellvertreter für die Sicherung staatlicher und gesellschaftlicher Bereiche unterstand, der wiederum innerhalb der Kreisdienststelle (KD) des Ministeriums für Staatssicherheit Leipzig-Stadt unterstand. Oberst Schmidt leitete die 201 Mitarbeiter (von 2401 Mitarbeitern (MA) der Bezirksverwaltung des MfS Leipzig) der städtischen Leipziger Stasi-Außenstelle.
Ungefähr um diese Zeit vor 10 Jahren (22.09.83) verfasste IM Vowi einen Bericht über den Verlauf des Gesprächs mit dem Schüler K. M., Kl. 11g. K.M. ging damals in die Erweiterte Oberschule Karl Marx in der Erfurter Straße in 7022 Leipzig. Normalerweise wurden alle männlichen Schüler ab der 11. Klasse Mitglied der Gesellschaft für Sport und Technik (GST). Die Mädchen traten üblicherweise in das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ein. In der GST gab es Uniformen, Schießunterricht, vormilitärische Ausbildungslager, aber auch die Möglichkeit, den Führerschein zu machen. Schießübungen und vormilitärisches Ausbildungslager (eigentlich Zivilverteitigungs-Lager -ZV-Lager-) waren für die Oberschule in der DDR vorgeschrieben. Wer daran nicht teilnehmen wollte, konnte kein Abitur machen. Die GST wiederum wurde erwartet, aber war aus irgendwelchen Gründen nicht vorgeschrieben. K.M. blieb bei seinem Entschluss, nicht in die GST einzutreten:
K.M. begründet seinen Entschluss mit Erlebnissen und Eindrücken aus dem ZV-Lager, die nach seiner Schilderung im subj. erlebten Fehlverhalten von Schülern und evtl. auch Ausbildern begründet sind: z.B. Kontrolle des Gepäcks hinsichtl. Zigaretten, Marsch bei 30 Grad, Bettmachen genau nach Vorschrift…
Auf die Notwendigkeit, seinen Betrag zum Schutz seines Vaterlandes zu leisten, äußerte er u.a.: Er sei nicht so vernarrt in die DDR (im Sinne eines Nationalstolzes?!) meinte er…
Karstens Gedanken tendieren stark zu den Positionen der Umweltschützer. Meiner Meinung ist sein Entschluß, nicht in die GST einzutreten, nur die Folge einer labilen völlig ungereiften polit.-ideol. Grundhaltung…
Mein Vorschlag: bitte möglichst noch vor der Klassenfahrt ein Gespräch mit der Mutter und K.M. in Anwesenheit von Vertr. der bish. Schule., Schulrat informieren mit Schlussf. für Qualifizierung der Delegierung…

 

Naja! Was aus meinem Vorgang geworden ist, weiß ich nicht. Ich habe auch noch viele Fotos, Geruchs- und Schriftproben, diverse Briefe und eine Unzahl von persönlichen Dingen. Ich beobachte heute eine Kneipe im ehemals feindlich-kapitalistischen Ausland. Da kann ich Euch Geschichten erzählen!

Karl-Marx-Städter Mädel

Ostalgie in der Vowi:
Ein Gast um die Dreißig trägt ein nachempfundenes Trikot der DDR-Fußballmannschaft aus den 70ern mit Schriftzug DDR und dem DDR-Enbleme. Einer der Wirte -eh etwas lustlos an diesem Tag- kassiert ab und meint, dass er mit diesem T-Shirt hier eigentlich nahe am Hausverbot entlangbalanciert. Der Gast wundert sich und meint, dass es doch ein schönes Spiel 1974 gewesen sei, wo Sparwasser das einzigste Tor geschossen hatte. Darauf gesteht der Wirt ein, dass es vielleicht ein schönes Spiel war, aber dann freiwillig etwas zu tragen, womit er -der Wirt- u.a. verbindet: Stasi-Ulf, Stasi-Ede, vielfache Flucht von Sportlern in den Westen (z.B. Jürgen Sparwasser), mysteriöse Todesfälle von geflohenen Sportlern im Westen (Lutz Eigendorf), Dopen bis zum Abwinken, Angeberei und Rumgeprotze nach dem Motto -Auch wir, ein kleines sozialistisches Land, können im Sport erfolgreich sein!-. Er -der Wirt- hält dies für geschmacklos. Wenn wenigstens die nackte Kathi Witt drauf wäre, aber dieses DDR-Enblem. Demnächst kommt einer der Wirte noch im FDJ-Hemd oder mit seinem Pionierhalstuch. Spaß muss sein!

 

Herrlich, dass dies vorbei ist

Der Palast der Republik in Berlin -ein Prunkstück der Spät-DDR- vergammelt langsam.
Herrlich will ich laut ausrufen, als ich am vergangenen Samstag dort vorbeispazierte!

Einfach Herrlich!

Notdürftig wurden die kaputten Fenster mit Spanplatten geschlossen. Weiträumig ist er eingezäunt – möglicherweise wegen Asbest- bzw. Ostalgie-Gefahr. Ostalgie ist eine gefährliche Seuche, die sich wie SARS blitzartig ausbreiten kann. Mein Hausarzt aus dem Nordend verschrieb mir deswegen einen Kurzurlaub an einem gefährlichen Antsteckungsherd: Berlin Mitte. Laufen Sie, so gab er mir auf, vom Hauptbahnhof, dem früheren Ostbahnhof und ehemaligen Schlesischen Bahnhof -im Blick den Fernsehturm- immer an der Spree lang zur Museumsinsel, laufen Sie Unter den Linden an der Alten Wache vorbei zum Brandenburger Tor, besuchen Sie den Reichs- bzw. Bundestag, schauen sie nach, ob Sie Gerhard Schröder treffen und gehen sie über den Potsdamer Platz auf der Friedrichstraße wieder zurück. Vergessen Sie nicht einen Kaffee zu trinken und sich in der FR, die Sie natürlich dort überall kriegen können, über diesen Schuster oder wie er heißt, diesen neuen Eintrachtsprecher, oder soll ich sagen -Schwätzer, zu informieren. Ich habe da nämlich einen Freund, der dort in den oberen Kreisen sitzt, und der hat mir Sachen erzählt… Na, wie auch immer. Fahren sie nach Berlin!
Ich wollte nach Berlin fahren mit und ohne Ansteckungsgefahr, um mir zumindest eine Ausstellung des russischen Malers Ilja Repin (1844-1930) anzusehen. Außerdem gab es noch eine große Retrospektive zur DDR-Kunst.
Unweit des vergammelten Palastes der Republik, (wo zu DDR-Zeiten immer die jährlichen „Rock für den Frieden“-Konzerte stattfanden mit einheimischer Prominenz und Sangesbarden aus dem kapitalistischen Ausland, die in ihren Ländern keiner kannte oder hören wollte), fand ich die herrliche und wirklich sehr lohnenswerte Repin-Austellung. Anstatt mich nun an der alten DDR-Kunst zu laben, entschied ich mich, den Kanzler zu suchen. Hinter mir ließ ich die Alte Wache, wo sich keine NVA-Soldaten im Stechschritt mehr ablösen oder ohne jede Bewegung Wache schieben. Ich sah das eindrucksvolle Gebäude der Russischen Botschaft und war plötzlich unter dem Brandenburger Tor.

Früher gings maximal bis hierhin.

Ich lief durch und nichts passierte. Ich war nur einer von vielen Touristen, die auf die Siegessäule schauten, sich wunderten über den Riesenfußball, den Andre Heller direkt vor dem Brandenburger Tor aufbaut. Vor Jahren lief ich schon mal dort in der Nähe lang. Ich wartete auf eine Freundin und landete aus Versehen in einer Einbahnstraße, wo links Wohnhäuser standen und sich rechts die Mauer erhob. Ein paar Meter konnte ich gehen und wurde festgenommen. Ich landete bei den Genossen des M.d.I. oder bei den Genossen des M. d. S., wurde verhört, man rief meine Mutter an und ich wurde nach geraumer Zeit mit der Warnung, mich nicht noch einmal der Grenze zu nähern, wieder freigelassen. Ein wenig freier als damals fühlte ich mich jetzt unter dem Brandenburger Tor schon.
Auf dem Weg von dort, wo unsere Volksvertreter sitzen, kaufte ich mir eine Bratwurst. Diese sollte mein Ausweis am Bundeskanzleramt sein, aber der Chef war eh nicht da, und vor dem Reichs- bzw. Bundestag stand eine so große Schlange, dass ich weiterging zum Potsdamer Platz.

Früher standen sie vor den Mouseleum.

Der ist zwar noch eine große Baustelle, aber was schon steht, erinnert an die Zukunft. Merkwürdige Formen umzäunen den Platz und lassen die Vergangenheit und die Gegenwart weit hinter sich. Auf der Friedrichstraße, vorbei an einer PDS-Demo und einem Blick auf die alten aus der DDR-Zeit stammenden Wandzeichnungen am Innenministerium, wurde es Zeit für den Kaffee und eine Kurzmeditaion über die Heimat.

Kein Kommentar!

Aber das große Berlin, was zumindestens in seinem mittleren Teil an einem verregneten Tag nichts von seiner protzigen, majestetischen, angeberischen, schnoddrigen Art abzugeben bereit war, ist eine eindrucksvolle Stadt, welche die Heimatorte schnell vergessen macht. Der Kuraufenthalt hatte gewirkt. Zwei Schritte nach vorne und einen Schritt zurück und sich dabei kurz umdrehen und innehalten, den PDS-Leuten Alles Gute! wünschen und den Fernseher bei allem Ostalgiescheiß ausmachen. Ich fahre hoffentlich bald wieder nach Berlin und mache meine eigene DDR-Show einfach zum Republikgeburtstag im Oktober in der Vowi!

Ankündigung für ein Stück im Gorki-Theater: Die Geschichte des Kommunismus aus der Sicht für Geisteskranke Trotz alledem!

IM Vowi