Чай

Russisches Alphabet_Ч

Vor etwa vierhundert Jahren war der damalige „Bundeskanzler“ von Sachsen August Christo Reinmass, auch bekannter als August der Starke, weil er mehr Zieglein als ein mißliebiger Konkurrent hochheben und geschmort verspeisen konnte, mal wieder in Leipzig. Sein Weg führte ihn zwischen Nikolai- und Thomaskirche in ein Lokal, namens Coffewirtschaft. Er mochte diese Stadt mehr als seine Residenzstadt Dresden. Die Leipziger schienen ihm offener (durch ihre Messe), sprachgewandter (Hä? anstatt Nu!) oder druckten die besseren Schriften in ihrer Presse (Meyer „Als wir offen waren“ contra Tellkamp „Mein Land soll eine Festung sein!“). Und in diesem merkwürdigen Spiel aus dem neuen Indien, dessen Namen (Ron…Roc…Roko…) ihm gerade nicht einfiel, sollten die Leipziger geschmeidiger und besser aussehen, nur leider erfolgloser sein. Allerdings fand er sich dabei, ohne Perücke zu zeigen, eine neumodische Unsitte. Im Gegenteil, sich seine Perücke an den Spitzen zu erhellen, wie es ihm ein Galgenvogel aus Portugiesisch-Madeira vorgeschlagen hatte, gefiel ihm.
Aber er durfte nicht abschweifen, seinen Gedanken freien Lauf lassen. Später, vor dem Zu-Bett-Gehen bei seiner Yogastunde mit einer Tasse Chai, dann könnte er sie kreisen lassen.
Zu spät. Im Kreis: Chai aus seinen feinen Porzellan-Tassen. Aber es war nicht sein Porzellan. Er musste es, wie seinen Yogameister aus dem fernen China, herbeiholen lassen, genau wie den Chai. August aber wollte sein eigenes Porzellan und nicht diesen Grünen, Schwarzen oder Weißen Chai. Er trank ihn mit viel Milch und viel Zucker. Zucker war teuer. Teurer als seine Hofkapelle in Dresden mit Heinichen und Zelenka. Gab es da nicht diesen Kantor und Organist hier in Leipzig. Sicher schlecht bezahlt und furchtbar – wieder so etwas Neumodisches – sprituell. Er würde die Schneider fragen. Seine Gräfin Schneider. Aber die weilte auf ihrem Landgut in Pillnitz. Sie gab vor, sich um ihre Weinberge zu kümmern. Hatte aber anderes im Sinn. Angesteckt durch einen neuen Spleen, wollten die Frauen jetzt schmal und gräßlich dünn sein. All das, was ihm Wonne und Muße bereitete, wollten sie weg hungern durch Wasser anstatt Zieglein und Yoga anstatt Wein. Konnte sie ihm dann schmallippig mit so viel Esprit Contra geben, wie er es von ihr gewohnt war und so sehr mochte?
Gut nun. Er hatte bis jetzt kein eigenes Porzellan. Dafür diesen gruslischen Tee von den Moskowitern, diesen Wassertrinkern. Er hatte die polnischen Ländereien. Dafür musste er den katholischen Glauben annehmen in seinem protestantischen Sachsen. Er hätte gerne mehr von der Schneider gehabt. Sie erschien ihm wie eine Traube bei Frost gelesen. Sie wurde immer blasser, aber spät gelesen am süßesten. Dies durfte er nur denken, nicht laut aussprechen. Die Frauen im Amt würden ihn an den Pranger stellen. Er musste Geduld aufbringen, die er leider nicht hatte. Er wollte den Chai nicht vor sich haben, um dann zu warten, weil er ziehen muss. Er wollte alles und zwar gleich.
Man bringe ihm dieses neue Getränk von den Türken und keinen Chai, forderte August nachdem er das stille Örtchen besuchte und verwundert die Kritzeleien dort gelesen hatte: GOAT und darunter „August ohne a tateratata“. So ein Quatsch. Er hasste dieses preußische Militärgedöns.
August bestellte sich zum ersten Mal in Leipzig einen Coffee, und dann dauerte es gar nicht mehr so lange, bis aus den Sachsen die Kaffeesachsen wurden, denen auch der grusinische Tee in der Mitte des 20. Jahrhunderts nichts anhaben konnte.

Was erfunden wird, ist nicht gelogen! (Russisches Sprichwort)

Schwarzteemischung aus der DDR

Schwarzteemischung aus der DDR

Unerträgliche DDR-Popband Kreis mit dem Lied „Grusinischer Tee“, der umgangssprachlich „Gruslische Mischung“ oder auch „Der Dreck aus der Teefabrik“ genannt wurde:
https://www.youtube.com/watch?v=44QjSwNhxLY

Kabarettist Uwe Steimle über Sächsisch:
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=EQUnU3kXbsg&w=560&h=315]