Vaterlandsverräter

Der Repressionsapparat und das damit verbundene Machtsystem in der DDR hat meine Generation (die heute 45jährigen) nachhaltig geprägt. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage dass dieses System sie im negativen wie im positiven sozialisiert hat. Deshalb ist die Auseinandersetzung damit nach über 20 Jahren immer aktuell. Ein wertvolles Beispiel über die Auseinandersetzung und die persönlichen Verstrickungen ist ein Dokumentarfilm von 2011 mit Namen Vaterlandsverräter von Annekatrin Hendel.
Der Schriftsteller Paul Gratzik (geb. 1934) wird darin porträtiert. Er, ein Flüchtlingskind aus Ostpreußen, war Arbeiter und Erzieher und wurde schließlich Arbeiterschriftsteller. Solche gab es in der DDR nicht viel, sie waren aber im Staatsverständnis sehr erwünscht und deshalb wurden sie durchaus protegiert. Ein posthum eher unbekanntes Beispiel ist Werner Bräunig mit seinem Roman Rummelplatz über den Uranabbau der Wismut in der Gegend um Aue. Ein mittlerweile bekanntes Beispiel ist der bei Leipzig geborene Lyriker und Romancier Wolfgang Hilbig, der wie kein zweiter das „Grauen“ der DDR, aber ebenso die Übergangszeit nach der Vereinigung in einem zeitlosen Duktus darstellt. (Auf der Seite Planet Lyrik kann man ihn, ein Gedicht vorlesend, hören)
Im Gegensatz zu Werner Bräunig und Wolfgang Hilbig arbeitete Paul Gratzik, übrigens alle drei sind bzw. waren Alkoholiker, als IM für das MfS und nachdem er „gekündigt“ hatte, wurde er selber vom MfS überwacht.
Der Dokumentarfilm zeigt auf eine subtile Art und Weise die Gratwanderung der Menschen innerhalb dieses Systems und auch das „Grauen“, welches, je länger die DDR hielt, mehr und mehr zur Staatsraison wurde.

Auf der Arte-Mediathek ist der Film noch ein paar Tage zu sehen: