Letztens laß ich in der Vowi:
Ein Blinder kam mit seinem Stock sich den Weg ertastend auf die Kneipe zu. Schon von weitem hörte ich das Klacken auf der Jordanstraße. Vor der Vowi angekommen, schien er fast zu stürzen. Ich nahm seine Hand, um zu helfen. Da umklammerte mich die seinige fest, wie ein Schraubstock. Er fragte nach dem Besitzer. Dabei wanderte bei dieser kurzen Ansprache seine Stimme zwischen tiefer Ergebenheit und purer Aggression. Einer Welle gleich, die sich sanft fast ängstlich bewegt und urplötzlich ausholt, um alles mit sich zu reißen.
„Willst Du mir die Hand geben, mein hilfreicher junger Freund, um mich ins Haus zu führen?“ Mein Brauerei-Vertreter war gerade da. Es ging um die Stundung der Pacht wegen des Lockdown. Wichtig in diesen Zeiten. Der Blinde meinte zum ihm: „Bleib sitzen! Sehen kann ich zwar nicht, aber ich höre, wenn einer den Finger krumm macht. Geschäft ist Geschäft. Streck deine linke Hand aus! Junge, nimm seine linke Hand am Gelenk und führe sie an meine rechte heran!“ Alles ging so schnell, dass ich erst wieder bei Sinnen war, als das tastende Klacken des Bettlers nach und nach leiser wurde. Mein Brauerei-Vertreter öffnete die Hand. Wie ein schwarzer Fleck lag da ein Stück verkohltes Papier. Darauf stand klitzeklein „Bitcoin zu Dollar heute – Jahresumsatz 2019 = ÜH III ?“ und der Hinweis „Preiserhöhung in der Vowi? Bald per Etherum mit viel Token!“
Wir sahen uns fragend an.
Zwischen Impf-Fortschritt, neuem Trainer der Eintracht, lieber keiner als einer nicht verantwortbaren STIKO-Empfehlung, der Biofleisch und Bioeier-Offensive in der Vowi und der Ankurblung des Fassbierumsatzes kam uns dieses Déjà-vu, modern gekleidet, wie ein petite aventure sur l’île vor.