Das Konzert, unweit der Vowi in der Frankfurter Festhalle vor etwas mehr als 41 Jahren, war sehr gut besucht. Nach dem einleitenden Gitarrensolo auf einer Gibson Les Paul, die von Sound und Lautstärke dem Raum eine eigene Definition gab, begrüßte Zappa, darunter die zahlreichen zugekifften und besoffenen GIs, die Fans. Alle drängten in Richtung Bühne. Darauf forderte Zappa auf, cool zu bleiben. Er benutzte den Rhythmus des Intro und ließ die Band kurzerhand ein mehrstimmiges „Move Back ‚N Sit Down“ intonieren. Seine „Rockin’ Teenage Combo“ stellte er namentlich vor, indem er bei jedem einzelnen Musiker betonte, wie sie sich freuen, wenn die Fans sich ruhiger verhalten würden.
Zappa kam damals mit frisch gestutzten Haaren (auch als Krähennest tituliert) und trug gerne eine pinkosa Glitzerhose, die sich in jeder Disko gut gemacht hätte. Er spielte fast komplett seine noch nicht veröffentliche LP „You Are Wahl You Is“. Dies war eine ungewöhnliche Liederauswahl, weil man damals Hits erwartete oder die sich gerade neu auf dem Markt befindliche Platte aufführte. Das Zeug, was keiner kannte, wollte eigentlich keiner hören. Die Fans waren erpicht auf seinen großen Hit „Bobby Brown“ oder auf Lieder, wo es um pornographische Detailarbeit ging, wie „Dinah-Mo Humm“. Zappa war es egal. Denn viel Hoffnung, irgendwas auszulösen hatte er nicht. Wenn es einen Einzigen im Publikum geben würde, der versteht, was er macht, hätte seine Musik einen Sinn, sagte er einmal. Viel Hoffnung besaß er dahingehend nicht. Seine lässige Selbstbewußtheit, gepaart mit einem professionellen Musikerethos, eine auf den Punkt spielende Band, seine Improvisationsfähigkeit, seinen Mut, über wirklich alles zu singen und zu sprechen, ob ironisch, zynisch oder ernst, sowie das herausragende Gitarrenspiel ließen seine Lieder in Kostümen zurück, die man so noch nicht gehört hatte.
Für mich ist die Musik Frank Zappas eine Kiste voller Schätze: Bei Öffnen geblendet, sehe ich kaum Unterschiede zwischen billigem Plunder und Diamanten, weil alles glänzt. Beim genaueren Hören, auch nach Jahrzehnten, gibt es Noten und Töne, die verblüffen, mich mit offenem Mund und einem beglückten Lachen zurücklassen. Dieses Jahr wäre er 80 Jahre alt geworden.
Immer, wenn ich bei Gref-Völsings die Rindswürste für die Vowi hole, freue ich mich, weil gleich im Nachbarhaus Zappa mit dem Ensemble Modern 1991 sein letztes Projekt „The Yellow Shark“ probte, was 1992 in der Alten Oper live aufgeführt wurde.
Das Ankündigungsplakat der Tour erscheint und erklingt, wie das böse Knurren eines noch an der Kette nur ziehenden Hundes. Beim Ansehen kokettiert der Konzertgänger mit der wohligen Angst auf das Verbotene, was er nur kennenlernt beim Versuch, sich nicht an den Massengeschmack und seinen Etiketten anzupassen.
Zappa macht es einem schwer. In einem Lied gibt es eine Aufzählung, welche gesellschaftlich genormten Etiketten man nicht als gegeben nehmen sollte. Zappa stutzte sie mit seiner Musik, wie ein Rasierapparat einen Bart. Seinen Status als Freak (Freak Out – so seine erste Schallplatte), der außerhalb des Establishment steht, genauso aber von diesen vereinnahmten Gegenbewegungen ohne jegliche politische Korrektheit hinterfragt, macht ihn als Popstar wertlos. Wenn man aber bereit ist, die Schatztruhe seiner Musik zu öffnen, wird man belohnt. Nicht mit Geld, sondern mit Glück, Fluchten und Trost in Tönen, die man nicht mehr vergessen will.
Einen ansehnlichen Videomittschnitt von der Europa-Tour 1980 gibt es aus Paris.