Erster Geschenkvorschlag zu Weihnachten:
Spielfilm als DVD:
Stalker von Andrej Tarkowskij aus dem Jahre 1979
Ein geniales Werk des 1986 verstorbenden russischen Regisseurs. In alten DDR-Zeiten (ein typischer Film der Perestroika-Zeit, obwohl er aus viel finsteren Zeiten stammt) -so Karsten zu mir- ging er mit seinen Freunden regelmäßig in diesen Film ins Leipziger Kino „Casino“, wo faktisch in 159 min nichts passiert. Bei der Frage, um was es in den Film ging, wußten nur wenige eine Antwort. Auf jeden Fall dreht es sich, um die ganz großen Sinn-Fragen – eben um Leben und Tod. Das wom-Heft von Dezember schwelgt in höchten Tönen und bei Amazon, wo es Stalker jetzt für knappe 20,- Euro im 4:3 Vollbild und in der DEFA-Synchronisation gibt, fand ich folgende Beschreibung:
Vor zwanzig Jahren verwüstete ein Meteorit eine russische Provinzstadt und deren Umgebung. Reisende verschwanden in der Folge unter mysteriösen Umständen in diesem Gebiet, welches man nur noch als die „Zone“ bezeichnete. Und bald machten Geschichten von einem Raum innerhalb der Zone die Runde, von dem man sich sagenhaftes erzählte. Jedem, der sich dorthin vorwagt, würden die geheimsten Wünsche erfüllt werden. Ein erfolgreicher Schriftsteller (Anatoli Solonitsyn) und ein Wissenschaftler (Nikolai Grinko) engagieren den berüchtigten Stalker (Aleksandr Kaidanovsky), einen Führer und Fährtenleser, um sie sicher dorthin zu bringen. Doch zunächst gilt es, die patroullierende Armee und die Grenzposten am Rand der Zone zu überwinden.
Was wie die Exposition zu einem Actionfilm klingen mag, ist bei Tarkowskij lediglich die Ausgangssituation, um den zentralen moralischen Konflikt stärker herauszuarbeiten. Es geht um Menschen, die sich im Leben verirrt haben und sich auf der Suche befinden. Auf der Suche nach etwas anderem, das ihnen die moderne Welt mit all ihrem Zynismus, ihrem Unglauben und der daraus resultierenden Leere nicht bieten kann. Dieses von außen auferlegte Erkenntnisstreben — stets von Unruhe und Entbehrungen begleitet — zeichnet sich durch Schmerz und Enttäuschung aus, wird doch die letzte Wahrheit immer unerreichbar bleiben.
Die Art und Weise wie Tarkowskij sein Thema auslotet, mit welchen Stilmitteln er arbeitet, ist atemberaubend, ganz speziell auf der visuellen Ebene. Ist der Film im ersten Drittel noch in Schwarzweiß gedreht, sind die Szenen innerhalb der Zone in monochrome Grüntöne getaucht. Die Instrumentalisierung verfallener Industrieanlagen und der unkontrollierbare Wildwuchs hat Tarkowskij den Ruf eines modernen Mystikers eingetragen und funktioniert vor dem Hintergrund der philosophisch anmutenden Grundkonstellation hervorragend. Stalker ist neben Solaris bis zum heutigen Tag Tarkowskijs berühmtester Film, der eine ganze Generation nachfolgender Filmemacher beeinflusst hat.
Damit man weiß, gegen was der Film ästhetisch wettert, kann man in die Schirn gehen in die Ausstellung Traumfabrik Kommunismus. Die Visuelle Kultur der Stalinzeit. Und man kann ergänzend ins Filmuseum vorbeischauen, wo noch bis zum nächsten Februar sowjetische Filme laufen. Einer ist besonders zu empfehlen: Der Fall von Berlin aus dem Jahre 1949. Ein reiner Propaganda-Film, wo die Fiktion zum Alltag wird. Nichts stimmt an diesem Film außer, der historischen Rahmen (2. Weltkrieg). Der Gipfelpunkt der Verarschung ist die Ankunft Stalins nach Kriegsende in Berlin, die niemals stattgefunden hat. Gottesgleich steigt er aus dem Flugzeug (ganz ohne Pockennarben) und segnet das Volk mit mahnenden Wörter. Der auf der Kriegsbeute Agfacolor gedrehte Film erinnert an seine Brüder im Geiste aus der Nazizeit.
Der Film läuft am nächsten Mittwoch, den 17.12 um 20.30 im Filmmuseum.
IM Vowi