Sonntag, 17. September 2000



In der FAZ vom Freitag (Nr. 215, 15.09.00, S. 75) gab es einen Artikel in der Rubrik Nachtlokal über die Volkswirtschaft. Hier ist dazu mein Leserbrief:

Sehr geehrte Frau Anke Schipp,
Die FAZ und die Volkswirtschaft haben neben fundamentalen Unterschieden auch einige Gemeinsamkeiten. Sind nicht beide resistent gegen Veränderungen? Die FAZ, um nur wenige Beispiele zu nennen, ist gegen die neue Rechtschreibung, hat ihr Äußeres seit vielen Jahren kaum merklich erneuert, setzt konsequent ihre konservative Grundhaltung fort (beispielhaft in der verwandten Sonntagszeitung von 17.09.: das Plus -für was auch immer- für den hessischen Ministerpräsidenten oder das Nachhaken gegen den Finanzminister im Zusammenhang mit den Vorwürfen zur Wiedervereinigung).
Die Unterschiede zwischen der FAZ und der Volkswirtschaft sind eklatant. Angefangen beim Internetauftritt: Dieser ist bei Ihnen funktional, aber ohne Information. Und als ich versuchte, Ihren Artikel über die Volkswirtschaft zu kopieren, hätte ich in Ihrem Archiv dafür bezahlen müssen. Bei der FR oder der taz wird dies anders gehandhabt. Dann beachten Sie die einfachsten Regel des Internets nicht, die da lauten Aktualität und Kommunikation. Ich fand auf Ihrer Startseite weder Datumsangabe der letzten Änderung Ihres Internetauftrittes noch ein E-mail-Link.
Im weiteren sind Sie, ganz im Gegensatz zu uns, auf Ihren Seiten und Beilagen über Computer auf das Betriebssystem Windows eingeschworen. Nur am Rande finden bei Ihnen andere Systeme Erwähnung. Bei den Gästen und Machern der Volkswirtschaft gibt es dagegen sehr viele Besitzer von Apple-Rechnern. Voller Wonne empören sich die Besitzer von iMacs, Power Books oder G 4, daß das Installieren des Betriebssystems von Apple Mac-OS fast 10 Minuten dauert im Gegensatz zu Windows.
Die Volkswirtschaft ist keine bierselige linke Utopie von ergrauten Langzeitstudenten. In der Volkswirtschaft wird, wie unser Bundeskanzler es unlängst in den Neuen Bundesländern vormachte, nach getaner Arbeit (nach 18.00 Uhr) gerne ein Bier getrunken. Und dann ist man sich einig, daß die Ökosteuer richtig ist, daß der alte Bundeskanzler der dickste Falschspieler ist, daß unser Ministerpräsident „eine Schande für unser Land ist“ sowie daß der Euro wichtig für Europa und Deutschland ist. Und dann sind wir alle (auch die ganz Linken – nur heimlicher) ein wenig stolz, daß zwei „Fast-Hessen“ herausragen in Berlin und sie noch beide dem Adler verpflichtet sind.
Auf zwei kleine Fehler darf ich Sie aufmerksam machen: der Handkäse kostet nicht DM 3,50, sondern 10 Pfennige mehr. Und dann ist die beherrschende Wirkung des Aktienmarktes auch an uns nicht spürbar vorüber gegangen. Viele sind bei uns Aktionäre und reden auch dementsprechend darüber. Allerdings weniger über die Firmen und deren Produkte als über deren Kurse. Übrigens, neben dem Tabak zum Selberdrehen liegt sehr oft das Handy griffbereit.
Zum Schluß gebe ich es aber zu: ich bin regelmäßer Leser Ihrer Zeitung, die inhaltlich gerade im Vergleich zur FR um so vieles besser ist. Politisch gesehen sind wir ja fast alle Demokraten, vielleicht außer Erika Steinbach und Dieter Dehm, aber die erdulden wir tapfer.
Ich würde mich freuen, wenn sie uns ein oder zwei Zeitungshalter zukommen lassen könnten, sie sind wesentlich stabiler, als die von der FR. Außerdem würde ich gerne ein Probeabo bestellen.


Karsten Maaß, der Wirt der Volkswirtschaft