Sonntag, 19.5.2002

Die Mosel und die Eifel sind liebliche Orte und fast ein wenig herb – wie ein deutsches Pils und nicht so weich (wie das Krusovice) schlängelt sich der Fluß zum Rhein. Genauso kräftig erheben sich die Hügel und kleinen Berge in der Eiffel. Von oben herab hat man einen schönen weiten Blick – auch auf den Nürburgring. Ein denkbar unromatischer Ort in einer durchaus romantischen Welt: es gab einen Sichelmond, davor ein langes Abendrot, es gab Nebelschwaden aus den Tälern, kleine Hotels, die wie Jagdjütten aussahen und ganz weit weg flitzten sogar zwei ganz kleine rote Autos.
Aber wie soll man das alles genießen, wenn man zirka 29998 Gleichgesinnte auf wenigen Quadratmetern neben sich hat bei Rock am Ring.
Sven Regener, der Frontmann von Element Of Crime, grölte nach jedem Lied seiner Band das Wort Romantik (so heißt auch die neue Platte) ins Mikro. Je nach Lust konnte man es als „Jetzt erst recht“ oder als Verballhornung werten, so wie man beim Autorennen sich nur anschreien und nicht flüsternd unterhalten kann.
Davor spielte Willow. Diese Band aus den USA wird in den Feutillons sehr gelobt. Und ich kann dies nur bestätigen. Eine melancholische Musik, fast countrylastig, die immer mal durch elektronische Effekte und durch eine verzerrte Gitarre verfremdet wird.
Gleichzeitig spielten auf zwei Bühnen Tocotronic und Neil Young. Erstere sind jetzt auch ein wenig auf dem Elektrotripp, aber ich fand sie enttäuschend. Es fehlte mir die Kraft und Aggresivität, die sich mit dem ninglichen Gesang sonst so gut die Waage gehalten haben.
Neil Young war der Star des zweiten Tages des an drei Tagen stattfindenden Festivals. Und er spielte ein großartiges Konzert. Für mich war es das beste reine Rockkonzert, was ich bisher gesehen habe. Die Zuschauer quittierten Neil Youngs proffessionelles und gänzlich unpretentiöses Auftreten mit wilden Knutschereien, leichtem Pogogetanze, vielen imaginären Luftgitarren, Gehüpfe und Getanze.
Besonders romantisch war es also nicht, dafür war es zu laut, zu viele Leute und darunter diverse Kunstsinnige Harley Davidson-Fans mit Bierbächen, die mir fast Leid taten, weil der Gürtel so eng geschnallt war oder Pfälzer Eigengewächsen, die außer spärlichen Bartwuchses, wilden Gestikulierens und unklaren männlichen Geräuschen nichts weiter zu bieten hatten.

IM Lester Bangs