Letztens bei Neil Young in Köln (19.06.09, Tanzbrunnen):
(Gemeine Rezension)
Nur noch „Like A Hurricane“ hat gefehlt. Sonst hat er alles runtergestampft, wie eh und je. Mit Hey Hey, My My (Into The Black) fing es an. Da gähnte ich schon zum ersten Mal.
Um sein als Begleitband getarntes Altersheim musste man wirklich Angst haben. Nur der Background-Chor, bestehend aus seiner Frau, die von weitem wie seine Tochter aussah, und ihrem Kollegen, der noch nicht über 60 war, hätte man als Begleitpersonen des Altersheim-Ausfluges durchgehen lassen. Bereits die Bühnen-Aufbauer verwechselten Jugendlich-Sein mit arbeiten (Kann man auch umgekehrt schreiben.).
Neil Youngs Stimme war gut. Sein Gitarrenspiel klang wie beim ersten Auftritt meiner ersten Band: Es krachte und man war sich nicht sicher, ob die Gitarre überhaupt gestimmt war. Anfang und Ende der Lieder sind gut zu unterscheiden. Ein Lied fängt gewöhnlich an und endet plötzlich in einem Gewusel und Gehämmere, welches gerne länger ist, als das eigentliche Lied. Außer ein paar genuschelten Worten beschränkt sich der Künstler ganz auf seine Kunst und lässt das zahlreiche, über 45jährige Publikum in Ruhe.
Irgendwo schien es mir, ein „Yes We Can“ in einem Lied zu hören. Und zum Schluss gab es „Rockin‘ In The Free World“. Da stimmten alle mit ein und dachten sicher schon an den Freiheitskampf der Uiguren, an die geprügelten Mussawi-Anhänger im Iran, an die ebenfalls verletzten Gäste einer von der Polizei überfallenen St. Pauli-Kneipe in Hamburg, an ihre Nachbarin oder einfach, wo man nach dem Konzert noch ein paar Kölsch trinken könnte.
Ich gähnte zum 19. Mal und hatte noch den schauderhaften Geschmack des Kartoffelsalates in Erinnerung, den ich samt Rindswurst in Ermangelung anderes während des Konzertes gegessen hatte.
(Lobende Rezension):
Gleich das erste Lied zerlegt Neil Young. Seine altbekannte Gibsen mit Vibratohebel klingt wie Jimi Hendrix oder Casper Brötzmann’s Massaker. „Hey Hey, My My“ (Into The Black) wird mit Brachialgewalt in seine Einzelteile gestampft und gewinnt dadurch eine ganz neue Qualität: Wer nicht hören will, muss fühlen.
Neil Young haut seine bekannten Lieder den sehr zahlreich gekommenen Fans am Kölner Tanzbrunnen nicht entgegen. Er haut sie ihnen um die Ohren. Dabei baut er einen Kreis zwischen den restlichen Mitspielern und sich auf und stampft wie ein Schamane die Töne in den Boden. Die souveräne Begleitband, die schier gewaltverherrlichende Gitarre und seine alterslose Stimme bilden die Klammer des Konzertes.
Natürlich gibt es auch einen ruhigen Teil: Entweder im Country-Stil oder Neil Young an der Orgel. Mir persönlich gefallen diese Lieder nicht so gut. Ich bin aber ohne Zweifel eine Ausnahme, denn alles Bekannte wird lautstark gemeinsam oder auch nur für sich mitgesungen. (Der ein oder andere Fan ist auf einmal höchstpersönlich Neil Young und rezitiert förmlich die Worte des Meisters einen Tick eher und wird dadurch derselbige, und seine Freundin liebt ihn dafür noch mehr.)
Man kann diesen leiseren Teil aber ebenso zum Luft holen oder zum Rauchen nutzen, denn gleich wird wieder der Rasenmäher angemacht, und es poltert und kracht aufs Neue los. Dabei ist der Sound sehr gut. Neil Youngs sparsamste Hinwendungen werden frenetisch aufgenommen. Sogar wenn er einen Schluck Bier trinkt und wie nebenbei dem Publikum zu prostet, johlt es begeistert zurück.
Mir am besten gefiel die Zugabe, ein Beatles-Lied: „A Day In The Life“. Hier stimmte alles. Der Gesang erinnerte an John Lennon und war doch ganz Neil Young. Das Lied ist einfach gut gemacht bzw. komponiert mit Strophe und Refrain und dazu setzten sich einzelne Teile so fest ins Ohr. Über allen schwebte, wie ein Hubschrauber, die Gitarre von Neil Young, die keine Diskussionenen mehr zuließ.
Für die meisten anderen war aber sicher „Rockin‘ In The Free World“ der absolute Höhepunkt. Hier wurden im Refrain Fäuste gestreckt, hier wurde die Luftgitarre malträtiert, hier wurden die Bierbäuche, die kahlen Stellen auf dem Kopf, die langweiligen Arbeitsstellen (vielleicht auf dem Kölner Ordnungsamt), die äußerliche Biederkeit der ein oder anderen über 45jährigen Frau (Mutti) eingetauscht gegen all das andere, wofür Neil Young immer noch steht. Und sogar ein rein optisch nicht ganz passendes Trio (Müngersdorfer Stadion Haupttribüne, umweit vom Sohn des Präsis des FC Köln sitzend -man kennt sich-) flippte bei diesem Lied sehr gekünstelt aus, merkte aber, daß keiner auf ihre witzig gedachten Einlagen regierte und vergaß die Künstlichkeit und machte schließlich, wie fast alle, einfach nur mit. Und sogar meine gerne mäkelnde Wenigkeit musste anerkennend mit dem Kopf wackeln. Das war gut.