Das Yes-Raumschiff landete

Das Yes-Raumschiff landete am Samstag, den 21.06.2003 in der 2. Bundesliga-Stadt Mainz. Die stockhäßliche Rheingoldhalle, deren Akustik zwar gut war, die aber architektonisch den Charme eines Eisbrechers hat, liegt gleich neben dem Rhein. Dort wiederum tobte ein Volksfest, daß zum frühen Zeitpunkt junge Familien und nach dem Konzert Herden sehr junger Menschen anzog, die definitiv nicht bei Yes waren. Denn hier trafen sich die älteren Semester. An deren Kleidung und Tatoos man unschwer erkennen konnte, wo sie ansonsten ihre Freizeit verbringen. Da las man was von Neil Young, der Roger Waters-Tour und natürlich den diversen Yes-Touren der vergangen Jahre. Einer hatte sich sogar Auszüge aus dem Foxtrott-Album von Genesis auf seinen Rücken tätowieren lassen, was andere voller Staunen würdigten.
Viertel nach 20.00 Uhr ging es los. Auszüge aus Stravinskys Feuervogel, ganz wie auf dem Yessongs-Album ließen das Raumschiff nur noch Sekunden vor der Landung sein. Zuerst erschienen der Maschinist (Bassist, und Zweitstimmen-Sänger) Chris Squire und der Steuermann -und der fünfte Teil des Zirkels der Full Circle Tour- (der Eddie van Halen aller Arten von Tasteninstrumente) Rick Wakemann. Beide waren in Rock-Klamotten auf der Bühne mit Umhängen, der eine im Glitzer-Hemd, der andere in Schwarz und mit Sonnenbrille. Rick Wakemann übrigens trug die Haare wieder lang. Dann kam der Kartograph und Zirkelschwinger (der Gitarrist und die tiefe Stimme singende) Steve Howe. Dazwischen huschte der körperlich kleine, aber enorme starke Heizer (der Schlagzeuger) Alan White hervor. Und schließlich erschien der Kapitän, aber eigentliche Priester (der Sänger und Harfist) Jon Anderson. Während Steve Howe vollkommen normal aussieht uns sich bestenfalls spitzbübisch freut über einen rasenden Gitarrenlauf, während Alan White sich ebenfalls freut und immer noch nicht glauben will -selbst nach über 30 Jahren-, daß nicht ein anderer dort sitzt, während Chris Squire sich posend verausgabt, während Rick Wakemann ein wenig gelangweilt wirkt, (sich dennoch mit Chris Squire regelmäßig abklatscht) um zu zeigen, daß er eigentlich noch viel mehr kann – bewegt sich Jon Anderson im türkisen, möglicherweise Jogging-Anzug huld- und weihevoll. Er könnte auch blind sein, im Rollstuhl sitzen, nackt sein oder auf einer Kanzel stehen. Er würde dennoch genauso wirken. Peace, Spirit, Butterflies usw. sind wichtige Worte von ihm. Daß er aber auch knallhart sein kann, zeigte sich bei den internen Auseinandersetztungen der Band in den 80 und 90er Jahren.
Die Höhepunkte des Abends waren die beiden Lieder aus dem Magnification-Album (Magnification und In The Presence Of), dem 78‘ Hit Don‘t Kill The Whale, sowie And You And I und Awaken. Hier balancierte die Virtuosität der Fünf in den eher an der klassischen Moderne als am Rockidiom geschulten Aufbau der Lieder und ihr höchst individuelles Spiel -vor allem die Stimme Jon Andersons und die Gitarren Steve Howes- eine einzigartge Spannung aus. Anders könnte man es machen, aber keinesfalls besser. Hier bewiesen sie ihre einzigartige Stärke, die sie meines Erachtens vor über 30 Jahren zum ersten Male richtig auf der 3er-LP-Yessongs unter Beweis stellten. In den 70er dannach bauten sie auf insgesamt vier Studio- und einem Live-Album dies meisterlich aus. In den 80er und 90er setzten sie auf Popstrukturen und eine Art Btreitwand-Rock. Hier reichte es für gute Riffs. Ihre Virtuosität ging unter. Der Werkcharakter verlor sich in den Niederungen des Pop. Und die einzigartige Spannung wurde weder auf- noch abgebaut. Zwar war dies sicher die kommerziell erfolgreichste Zeit, aber was soll davon bleiben. Erst 2001 mit dem Magnification-Album konnten sie meiner Meinung nach wieder an ihre alte Größe anknüpfen. Rick Wakemann war nicht dabei. Er wurde durch ein ganzes Sinfonieorchester ersetzt.
Jeder der Musiker konnte glänzen mittels eines Solos. Am langweiligsten war Chris Squire, der zwar schön auf den Putz haute, aber sich in den selben Posen wie 1998 in der Jahrhunderthalle in Frankfurt verlor. An das Live-Original von The Fish auf dem Yessongs-Album kam er nicht heran, aber vielleicht wollte er es auch nicht. Steve Howe zeigte meisterlich, wie sich Könnerschaft mit Musikalität verbinden kann. Jon Anderson spielte ein einfaches kleines Lied nach der Pause und bereitete den Weg für Rick Wakemann vor. Dieser spielte auf dem Cembalo, dem Western-Klavier, der Orgel und dem Mini-Moog (?) Noten fangen, wie einst Paganini.
Über 2 1/2 Stunden ging das Konzert. Eine Zugabe mit zwei Liedern gab es, und dann flogen sie weiter gen Belgien. Ein großartiges Konzert konnten man erleben von professionellen Musikern. Wenn man sich allerdings die Setlits durchschaut und feststellt, daß sie wohl seit Wochen oder eigentlich seit Jahren, oder besser noch seit Jahrzehnten auf ihren Touren die selben Lieder spielen, dann wär es schön, auch mal kaum oder selten Gespieltes zu hören, zum Beispiel vom Relayer oder Tormato-Album oder auch mal Maschine Messiah von der Drama.

PS: Die Band bzw. Tour-T-Shirts, welche es zu kaufen gab, fand ich nicht ganz so toll. Natürlich habe ich mir aber trotzdem eines gekauft.

Yes World

IM Vowi