Gesoffen wird immer nur die Getränke ändern sich
oder
2019 gibt es die Olsenbande bestenfalls im MDR
oder
Diese Saison wird RB Meister
oder
Heute vor dreißig Jahren
Ich war nie selbst betroffen von zu viel Alkohol. Wiederum konnte ich beobachten, wie zu viel Alkohol den Menschen verändert. Seit vielen Jahren gehen große Mengen regelmäßig durch meine Hände: Der Unschuldige mit den schmutzigen Händen? Die Frage nach der Moral bei meiner Tätigkeit stellt sich mir hin und wieder. Es soll ein Betriebsgeheimnis bleiben inwieweit ich die ethische einer rein kapitalistischen Maxime unterstelle. Einer meiner prägenden Erlebnisse in Leipzig mit Alkohol hatte ich anlässlich der Fußball-WM in Russland vor einiger Zeit bereits erzählt.
In Leipzig auf den Montagsdemos im Herbst vor exakt 30 Jahren -u.a. am 01.10.1989- wurde im Gegensatz zum sonstigen gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol darauf geachtet, dass Angetrunkene nicht auf dem innerstädtischen Ring mitliefen. Ich erinnere mich noch, wie einem Betrunkenen eindeutig, im Ton väterlich, im Singsang des sächsischen Dialekts nahe gelegt wurde, nach Hause zu gehen: „Du bisd besoffn! Mensch, geh’ heme! Das hier is’ nüscht für disch! Benn disch aus!“
Ähnlich wie bis heute in Russland wurde in der DDR gesoffen. Trunkenheit galt als Kavaliersdelikt. Führende Genossen bei uns und in der Sowjetunion und bis heute in Russland (rühmliche Ausnahme ist Putin) waren Alkoholiker. Zum Beispiel der DDR-Einheitsgewerkschaftsvorsitzende Harry Tisch, der Generalsekretär der KPDSU Leonid Breschnew – dessen Leben jetzt mit Gerard Depardieu verfilmt werden soll – und Boris Jelzin, der erste Präsident der GUS.
Als ich letztens in Leipzig wegen einer Kultur-Veranstaltung weilte, wandelte ich durch die Stadt.
Ich entdeckte längst vergessene Bands, deren Schallplatten wieder im Schaufenster stehen. Ich sah auf der Straße einen der alten Sternchen und ließ es mir nicht nehmen, ein Foto von seinem Verglühen und von dem Album zu machen.
In der Innenstadt auf dem Sachsenplatz besuchte ich das Museum für Bildende Künste Leipzig,
um mir die Gemälde der so genannten Leipziger Schule bzw. Der Neuen Leipziger Schule
anzuschauen. Mir gefiel besonders Roland Borchers auf.
Frohes, wenigstens Heiteres und Buntes wurde auf den Bildern der diversen Leipziger Schulen nicht erzählt. Vielmehr fand ich die Farbe meiner Erinnerung von vor 1989 wieder: Grau.
Ich kann mich halt nicht von meiner Vergangenheit trennen.
Etwas „kälter“, wie ein Wodka aus Weißrussland, ordnet in Düsseldorf im Kunstpalast eine Ausstellung die Kunst in der DDR ein. Hier wird versucht sie unabhängiger von der ewig politischen Einflussnahme und ohne den emotionalen „eigenen“ Blick darzustellen.
Vielleicht hätte ich bei einem nächtlichen Spaziergang durch die Innenstadt entlang der Demonstrationsrouten an den Montagen vor 30 Jahren in Opa-Manier über diese Ereignisse erzählen können. Die lautstarken Rufe im Herbst 1989, auf denen die Forderung der Ausreisewilligen „Wir wollen raus!“ plötzlich in ein „Wir bleiben hier!“ der Nicht-Ausreisewilligen überging. Und spätestens da muss den verantwortlichen Genossen nicht nur bei den Inneren Organen „der Arsch auf Grundeis gegangen sein“. Jahrelang wurde sinnbildlich gesprochen – falls nötig – Luft abgelassen. Regimekritiker wurden drangsaliert, eingesperrt, in den Westen abgeschoben oder dahin verkauft. Jetzt gab es eine wahrnehmbare Gruppe von Menschen, welche dem Land nicht den Rücken kehren wollten. Vielmehr sahen sie ihre Zukunft in der DDR, nur nicht mehr mit den verantwortlichen Genossen. Es war für mich ein beeindruckendes Erlebnis, wie tausende Menschen „Wir bleiben hier!“ riefen. Ich lief still daneben, hatte einen nicht bewilligten Ausreiseantrag für den Westen, hatte keine Reise-Papiere für Ungarn und hatte mit dem Land längst abgeschlossen. Bei allem Respekt vor den „Wir bleiben hier!“-Rufern sah ich meine Zukunft überall, nur nicht mehr in der DDR. Ich glaubte nicht mehr an Veränderungen bzw. an Reformen. Ich wollte kein Teil mehr davon sein. Im Gegensatz zu den heutigen Flüchtlingen lag mein Pass (durch die Nichtanerkennung der DDR durch die BRD) seit meiner Geburt bereits da. Ich musste nur irgendwie dahin kommen, was mir Anfang November 1989 schließlich gelang.
In der DDR wurde der Druck von Montag zu Montag immer größer. Im ganzen Land demonstrierten mehr und mehr Menschen. Die Bürgerrechtler brachten die Forderungen auf den Punkt. Gemeinsam mit diversen Kirchenleuten wiesen sie den Weg, ohne das immer größer werdende Machtvakuum, welches eine implodierende SED hinterließ, ausfüllen zu wollen. Innerhalb des Regimes wurden die Stimmen, welche in den „Dialog“ mit den Demonstranten treten wollten, wahrnehmbarer. Die befreundeten Genossen in der sowjetischen Botschaft in der Straße unter den Linden und im Hauptquartier der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland unterhalb Berlins in Wünsdorf stärkten die zaghaften Reformgenossen und hielten sich ansonsten raus. Und dann war es Zufall, ein wenig Kalkül und eine Möglichkeit, die man nicht ausschlägt, als Günter Schabowski (als defakto Regierungssprecher) seinen kleinen Zettel raus kramte und damit den Stein ins Rollen brachte.
Und das Kartenhaus DDR brach in sich zusammen. Das Angebot von Kanzler Kohl aus Bonn, ein wenig aus dem Bauch, aber mehr als geschickter Schachzug gedacht, vollzog die Einheit schneller als gedacht. Der vergangene Stadtschreiber von Bergen-Enkheim Clemens Meyer, den ich mir lesend in der Vowi nicht leisten wollte, schildert diese Zeit 1989/90 eindrucksvoll in seinem Roman „Als wir träumten“
Und das heute in Ostbrandenburg und Ostsachsen viele sich nicht aufgehoben fühlen, gerne an die Hand genommen werden wollen und mit der Welt da vor den Toren von Riesa, Wurzen und Döbeln nichts anfangen können, weil sie ihnen 30 Jahre nach der Wende immer noch fremd ist, nun aber die Welt zu ihnen kommt, verwirrt sie zunehmend. Im Zweifel ist man sich selbst am nächsten. Und wird als junger Mensch in Leipzig, weil man die verwirrenden Fußballanimositäten der beiden alten Leipziger Vereine nicht mehr buchstabieren kann, Fan einer Mannschaft, die auf Tradition und Vereinsstruktur pfeift. Geld ist genug da, ein Marketingkonzept auch und die Nachfrage bei Erfolg, selbst bei mäßigem Erfolg, garantiert. Weil es „…nich’s andres gibt hier’e!“ Und schon werden im sächselnden Tonfall die nichtdeutschen Spieler brav ausgesprochen und es wächst zusammen, was kapitalistisch als Gewinnmaximierung gedacht ist und damit auch zusammengehört.
Der fromme Wunsch eines Wandspruches in Leipzig nach mehr Olsenbanden ist zwar schön, aber den Witz versteht bald niemand mehr.