Russisches Alphabet_Б
Die Sonne hoch. Das Wasser niedrig.
Zwei Schritte vor. Nur nicht zurück.
Zwei Sandbänke weiter noch stemmen und ziehen.
Bleibt stark, zugleich – ihr Treidler!
Halt auch du – Kleiner, halte den Schritt!
Ach wäre ich besser zu Hause geblieben.
Im Dorf hinterm Ofen mit Branntwein und Speck.
Hätte Sonjas Rücken gestriegelt,
Mäuse gejagt und mir den Honig vom Finger geleckt.
Dann gab es Krieg. Sewastopol belagert.
Kein Krieg mehr, wie früher.
Tod und Verderben aus der Fabrik.
Wir ließen nicht locker. Kämpften. Starben. Und riefen
„Masada, Masada! Osmanen. Kommt nie mehr zurück!“
Und später, da wurde mein Leib mir zu eigen.
Der Zar hat’s per Ukas erlassen. Es ward nun Gesetz.
Das Kreuz hier auf Erden muss ich nicht schreinern.
Ich kann es verkaufen, krieg’s später als Schuld, als Schuldschein, zurück.
Was mache ich nur aus meinem Leben?
Was mache ich nur aus dieser Rus?
Mein Wolga, mein Dorf, der Krieg und das Leben.
Ich bin ein Treidler.
Geh vorwärts und weiche, Genossen, nie mehr zurück!
Fiktives Gedicht eines fiktiven russischen Emigranten, der als fiktiver Treidler am Main bis zum Aufkommen der Dampfschiffe Mitte des 19. Jahrhundert arbeitete. Der russische Maler Ilja Repin malte um 1873 ein Bild, welches die Arbeit der Wolgatreidler zum Thema hatte.
Die Treidler lebten in den Nidda-Auen, unweit der Mündung in den Main.
Die Nidda wurde damals auch Kleiner Wolga genant. Die Straßennamen, wie Werra-, Jordan-, Elbe-, Mosel-, Elster-, Kama- und Parthestraße erinnern bis heute daran, denn was erfunden wird, ist nicht gelogen (Russisches Sprichwort)!