Russisches Alphabet_П
Ach diese russischen Dichter!
Es gibt so viele! Und ihre Werke leben und sollen gelesen werden!
Sie genießen dort einen ganz anderen Status als hier. Wer, beispielsweise, kann in Frankfurt, im Stadtteil Bockenheim, in der Vowi Hölderlin zitieren? Mir fällt nur einer ein. In Russland dagegen ist Puschkin – selbst heute noch – allgegenwärtig. Der mittlerweile etwas vergessene Jewgeni Jewtuschenko füllte zu Sowjetzeiten Stadien mit seinen Gedichtakklamationen.
So wie die großen Opernkomponisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts (Verdi, Puccini) waren russische und sowjetische Dichter Popstars mit allem, was dazugehörte. Kaputte Hotelzimmer, Saufgelage, wirre Affären, Nervenleiden, Schwermut als Berufskrankheit, Reisen als Flucht und Kreativität bis zur Selbstaufgabe waren Programm. Puschkin starb an den Folgen eines Duells, Lermontow durch ein Duell, Gogol an den Folgen religösen Fastens, Jessenin schnitt sich die Pulsadern auf und erhing sich, Majakowski erschoß sich. In der Stalinzeit wurden aus wahllosen Gründen Dichter ins Lager gebracht und/oder getötet. Danach kamen missliebige Künstler nur noch ins Lager. Heutzutage müssen nicht staatstragende Dichter oder Dramaturgen mit Sanktionen der Macht rechnen. Dies kann zwischen Hausarrest und Lagerhaft pendeln.
Man sieht den traditionellen Umgang seit fast 200 Jahren mit den Dichtern und Denkern. Wer zu aufmüpfig ist, wird verbannt, eingesperrt oder geht freiwillig außer Landes.
Lest mir diese Russen!
Gleich neben der Vowi befindet sich die Karl-Marx-Buchhandlung. Dort ist man auf euer Kommen vorbereitet.