Bier für die Welt

))U(( ns ist in alten mæren wnd/ers\ vil geseitvon heleden lobebæren vo/n\ grozer arebeitvon frevde vñ hochgeciten von weinen vñ klagenvon kvner recken striten mvget ir nv wnd/er\ horen sagen

Sicher habt Ihr gleich erkannt, von wem hier erzählt werden soll.
Logo, wenn man kaum eine Ballett-Aufführung auslässt, bei „Tosca“ alle drei Akte auswendig mitsingen kann, wenn man sich auf die Dienstags-Ausgabe der FAZ freut, da sie die Weihnachtsliteraturbeilage enthält, wenn man die 35 besten Musikaufnahmen, welche der „Fakten ficken Fakten“-Herausgeber in seiner aktuellen Ausgabe beleuchtet, gleich in mehreren Einspielungen hat, wenn man sich Gedanken macht, doch lieber die gesamte Weihnachtskantate von Bach, die der Thomaner-Chor in Teilen über den Jahreswechsel in Leipzig aufführt, zu besuchen und wenn man sich zu Weihnachten von seinen Eltern keinen Pürierstab, sondern das 30 Jahre Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft-Paket -bestehend aus den 20 wichtigsten stw-Bänden für 273,- Euro wünscht.

Große Themen der letzten Woche in der Vowi waren:
der methodisch-wissenschaftlich eindeutige Beweis von Dr. Eick (Uni Ffm.) versus Dr. Sellenscheid (Uni Trier) in Umkehrung der Tatsachen, das Lautern doch nicht 1954 Weltmeister geworden ist,
daß es schwer ist sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken, wenn man Asthma hat (dabei starker Raucher ist), zu dick ist (dabei weiterhin zuviel ißt), ein Alkoholproblem hat (dabei wohlweißlich weiter trinkt) und so und so noch diverse mittlere bis schwerere Leiden auf dem Kerbholz hat, aber als letztes seinen Kopf vollbepackt mit Erinnerungen hat,
daß man auch auf dem Vowi-Fußboden beim Gehen ein Lauf-Muster einhalten kann, die Welt umarmen könnte – sie aber dennoch hasst.

Zur Adventszeit wird man von gemeinnützigen Organisationen auf das Leid und die Armut von Mitmenschen aufmerksam gemacht. Zumeist sind diese Mitmenschen ganz weit weg irgendwo in Afrika oder in Nordkorea, manchmal auch ein wenig näher in Rußland oder Georgien. Mir fallen dabei immer zwei Bilder ein: frierendes Kind (am besten Barfuß) in verschneiter Stadt allein, wo im Fenster die Weihnachtskerzen stehen (Charles Dickens) und wieder eine furchtbar frierende Gestalt, der im klirrendkalten Moskau oder Petersburg gerade der Mantel (Gogol) gestohlen wurde, der noch kurz zuvor symbolisch für alles stand, was ein Mensch im Winter überlebenstechnisch braucht (Schutz, Wärme, zu Hause, Sicherheit).

Gedreht auf Bockenheim ins Jahre 2003 im beginnenden Winter sieht die Vowi e.V. „Bier für die Welt“ folgendes:
ein kleiner Uni-Penner steht an der Bockenheimer Warte mit runtergelassenen Hosen auf seinen dünnen Beinchen neben dem Extrablatt, oder kratzt sich, oder macht Pipi, oder wechselt seine Unterhose,
ein nicht unbekannter Gast -kein ganz bekannter- steht vor dem alten Campus in einer Gruppe von Dealern und Abhängigen und hat genau schon diesen apathischen starren Blick, der so leicht ins müde übergeht wie seine umstehenden Kollegen,
wenige Meter weiter vor dem Cafe Bauer redet ein normalaussehender junger Mann auf eine auf den ersten Blick junge Frau ein – er raspelt Aussagesätze runter, garniert mit Küsschen für sie – beim genaueren Hinsehen erkennt man eine junge schon verlebte Frau, die unweit der Vowi im Frauenwohnheim des Männerwohnheimes lebt und wohl hier von ihrem Zuhälter eingeschworen und verabschiedet wird.

IM Vowi