Der Palast der Republik in Berlin -ein Prunkstück der Spät-DDR- vergammelt langsam.
Herrlich will ich laut ausrufen, als ich am vergangenen Samstag dort vorbeispazierte!
Einfach Herrlich!
Notdürftig wurden die kaputten Fenster mit Spanplatten geschlossen. Weiträumig ist er eingezäunt – möglicherweise wegen Asbest- bzw. Ostalgie-Gefahr. Ostalgie ist eine gefährliche Seuche, die sich wie SARS blitzartig ausbreiten kann. Mein Hausarzt aus dem Nordend verschrieb mir deswegen einen Kurzurlaub an einem gefährlichen Antsteckungsherd: Berlin Mitte. Laufen Sie, so gab er mir auf, vom Hauptbahnhof, dem früheren Ostbahnhof und ehemaligen Schlesischen Bahnhof -im Blick den Fernsehturm- immer an der Spree lang zur Museumsinsel, laufen Sie Unter den Linden an der Alten Wache vorbei zum Brandenburger Tor, besuchen Sie den Reichs- bzw. Bundestag, schauen sie nach, ob Sie Gerhard Schröder treffen und gehen sie über den Potsdamer Platz auf der Friedrichstraße wieder zurück. Vergessen Sie nicht einen Kaffee zu trinken und sich in der FR, die Sie natürlich dort überall kriegen können, über diesen Schuster oder wie er heißt, diesen neuen Eintrachtsprecher, oder soll ich sagen -Schwätzer, zu informieren. Ich habe da nämlich einen Freund, der dort in den oberen Kreisen sitzt, und der hat mir Sachen erzählt… Na, wie auch immer. Fahren sie nach Berlin!
Ich wollte nach Berlin fahren mit und ohne Ansteckungsgefahr, um mir zumindest eine Ausstellung des russischen Malers Ilja Repin (1844-1930) anzusehen. Außerdem gab es noch eine große Retrospektive zur DDR-Kunst.
Unweit des vergammelten Palastes der Republik, (wo zu DDR-Zeiten immer die jährlichen „Rock für den Frieden“-Konzerte stattfanden mit einheimischer Prominenz und Sangesbarden aus dem kapitalistischen Ausland, die in ihren Ländern keiner kannte oder hören wollte), fand ich die herrliche und wirklich sehr lohnenswerte Repin-Austellung. Anstatt mich nun an der alten DDR-Kunst zu laben, entschied ich mich, den Kanzler zu suchen. Hinter mir ließ ich die Alte Wache, wo sich keine NVA-Soldaten im Stechschritt mehr ablösen oder ohne jede Bewegung Wache schieben. Ich sah das eindrucksvolle Gebäude der Russischen Botschaft und war plötzlich unter dem Brandenburger Tor.
Früher gings maximal bis hierhin.
Ich lief durch und nichts passierte. Ich war nur einer von vielen Touristen, die auf die Siegessäule schauten, sich wunderten über den Riesenfußball, den Andre Heller direkt vor dem Brandenburger Tor aufbaut. Vor Jahren lief ich schon mal dort in der Nähe lang. Ich wartete auf eine Freundin und landete aus Versehen in einer Einbahnstraße, wo links Wohnhäuser standen und sich rechts die Mauer erhob. Ein paar Meter konnte ich gehen und wurde festgenommen. Ich landete bei den Genossen des M.d.I. oder bei den Genossen des M. d. S., wurde verhört, man rief meine Mutter an und ich wurde nach geraumer Zeit mit der Warnung, mich nicht noch einmal der Grenze zu nähern, wieder freigelassen. Ein wenig freier als damals fühlte ich mich jetzt unter dem Brandenburger Tor schon.
Auf dem Weg von dort, wo unsere Volksvertreter sitzen, kaufte ich mir eine Bratwurst. Diese sollte mein Ausweis am Bundeskanzleramt sein, aber der Chef war eh nicht da, und vor dem Reichs- bzw. Bundestag stand eine so große Schlange, dass ich weiterging zum Potsdamer Platz.
Früher standen sie vor den Mouseleum.
Der ist zwar noch eine große Baustelle, aber was schon steht, erinnert an die Zukunft. Merkwürdige Formen umzäunen den Platz und lassen die Vergangenheit und die Gegenwart weit hinter sich. Auf der Friedrichstraße, vorbei an einer PDS-Demo und einem Blick auf die alten aus der DDR-Zeit stammenden Wandzeichnungen am Innenministerium, wurde es Zeit für den Kaffee und eine Kurzmeditaion über die Heimat.
Kein Kommentar!
Aber das große Berlin, was zumindestens in seinem mittleren Teil an einem verregneten Tag nichts von seiner protzigen, majestetischen, angeberischen, schnoddrigen Art abzugeben bereit war, ist eine eindrucksvolle Stadt, welche die Heimatorte schnell vergessen macht. Der Kuraufenthalt hatte gewirkt. Zwei Schritte nach vorne und einen Schritt zurück und sich dabei kurz umdrehen und innehalten, den PDS-Leuten Alles Gute! wünschen und den Fernseher bei allem Ostalgiescheiß ausmachen. Ich fahre hoffentlich bald wieder nach Berlin und mache meine eigene DDR-Show einfach zum Republikgeburtstag im Oktober in der Vowi!
Ankündigung für ein Stück im Gorki-Theater: Die Geschichte des Kommunismus aus der Sicht für Geisteskranke Trotz alledem!
IM Vowi