Abends im Hafen

In letzter Zeit fehlen die klassischen Vowi-Geschichten, wie sie noch in früheren Zeiten regelmäßig auf diesen Seiten von IM Vowi aufgezeichnet wurden.
Natürlich „passieren“ die Geschichten immer noch und immer wieder auf’s Neue. Zum Beispiel letztens:

Die „Holstein“ lief pünktlich im Bockenheimer Hafen ein. Dem Kapitän und dem 1. Offizier verlangte es nach Krabben in Tomaten-Mandel-Pesto, was der kleine chinesiche Koch, der sein Handwerk in Taiwan gelernt hat, in Windeseile zubereitete. Dazu gab es wie immer Rum und wenig Osfriesentee. Kaum erschallte die erste Strophe eines bekannten Seemans-Shanty:
„Fuffzehn Mann auf des toten Manns Kiste, Ho ho ho
und ’ne Buddel mit Rum!“
,
erschien Steuerbord der Grund, warum dieser Ankerplatz aufgesucht wurde. Der Erfinder der Stoptaste des Kassettenrecorders feierte seine vielleicht zwanzigste, dreißigste oder wievielste Äquatortaufe.
Backbord schipperten noch junge Odenwälder Rekruten mit Gardemaßen und eine gesamtdeutsche Landratte ein, die sofort textsicher weiter in den zweiten Teil der ersten Strophe einfielen:
„Fuffzehn Mann schrieb der Teufel auf die Liste,
Schnaps und Teufel brachten alle um! Ja!“
.
Schließlich nahmen alle in der Holstein Lounge Platz. Zu den Zigarren wurde Trester gereicht. Die Rekruten tauschten unauffällig ihre Telefonummern aus. Natürlich waren die sintflutartigen, nun schon seit drei Tagen dauernden Regenfälle im Hamburger Hafen ein Thema. Wer hatte da schon Lust auf St. Pauli. Mit anderen Seemännern aus aller Herren Länder, beispielsweise vom Rhein, wurde über alte und neue Seegänge erzählt.
Nach dem Löschen der Fracht, und nicht bis alle sechs Strophen des bekannten Seemans-Shanty gesungen wurde, verließen alle den Bockenheimer Hafen und schipperten bei ruhiger See nach Hause.

Natürlich war der Abend noch nicht zu Ende. Es passierte noch ein ganze Menge. Viele Fragen wurden gestellt. Nicht alle konnten beantwortet werden. Manch einer dampfte beleidigt ab. Aber irgendwann kommen alle wieder nach Hause – in die Vowi.