Сергей Александрович Есенин

Russisches Alfaphet_Е

Schon sein Name vereint all diese Tugenden und Eigenheiten, die ich an den russischen Schriftstellern so schätze.
Jessenin klingt weich, fast zart, aber nicht lasch. Die drei Silben seines Namens geben ihm dagegen Gewicht. Das n als letzter Buchstabe rundet das Träumerische pragmatisch ab. Wiederum, rethorisch gefragt, kann eine anderer Name schwermütiger klingen als Jessenin.
Sein Leben erscheint wie die Balance auf einer Stromleitung – hätte sie es gegeben – mitten in Russland. Jeder Schritt brachte scheinbare Erleuchtung, aber auch permanente Todesgefahr. Natürlich ist dies rein oberflächlich. Aber ein zwei Dinge aus seinem Leben stehen dafür. In sehr jungen Jahren wird er von seinem Vater aus Armut zu seinen Großeltern gegeben. Er wächst mitten in Russland in Rjasan auf. Hier findet er alle Themen seiner gebrochenen Dorfprosa. Er bricht den scheinbar rückwärts gewandeten Blick schnörkellos durch die Oktoberrevolution, seine Reisen und seine eigentümliche Hektik. Er geht drei oder sogar vier Ehen ein, unter anderem mit der damals weltbekannten amerikanischen Tänzerin Isadora Duncan. (Der Singer/Songwriter Vic Chesnutt, der sich vor wenigen Jahren selbst tötete, hat über sie und sich tanzend erträumend ein Lied geschrieben.) Immer wieder reist er. Und dann schrieb Jessenin mit Blut sein letztes Gedicht und tötete sich 1925 gleich zwei Mal. Erst schnitt er sich die Pulsadern auf, und dann hing er sich an den Heizungsrohren in seinem Hotelzimmer auf.

Viel Theater, von einem, der immer im Mittelpunkt stehen wollte, meinten manche Dichterkollegen.
Ich würde ihn lieber für seine sensible Exaktheit rühmen, diesen Menschen – diesen Russen – eine Stimme gegeben zu haben in Zeiten der Permanenten Revolution.

Jessenin

Sergei Alexandrowitsch Jessenin

Hier ein kurzes dunkles Gedicht aus dem Jahre 1925. Im Laufe der nächsten Tage gibt es noch ein längeres biographisches Gedicht.
aus Sergej Jessenin, Gedichte, Leipzig 1988, S.213
Ebene, beschneite. Weißer Mond.
Ein Leichentuch über den Feldern, dicht.
In Weiß die Birken weinen im Wald.
Wer kam um hier? Wer starb? Wars nicht ich?

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